Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eifel-Jagd

Eifel-Jagd

Titel: Eifel-Jagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
Vom Netzwerk:
einem Seufzer. »Mein
Gott, Tochter, warum habt ihr euch so gequält?« Sie sah Rodenstock an.
»Kümmerst du dich mal um Enzo?«

    Rodenstock stand auf und ging ins Haus. Über die Schulter rief
er: »Ich setz noch einen Tee auf.«

    Ich hockte mich ans Wasser und hörte mit halbem Ohr, wie die
beiden Frauen miteinander sprachen. Es klang vertraut und tröstlich.

    Als Rodenstock an der Hausecke erschien und erstickt
»Baumeister!« herausbrachte, war gerade mal eine Minute vergangen, vielleicht
zwei. »Er ist im Badezimmer, und er reagiert nicht.«

    Ich rannte ins Haus und schlug mit der Faust gegen die Tür.
»Enzo! Enzo!«

    Es blieb still, es war nichts zu hören.

    Â»Oh, nein!« schluchzte Jenny hinter mir gepreßt.

    Â»Geh weg da!« Emmas Stimme war scharf.

    Ich trat nach hinten, und sie zog diesen schrecklichen
Colt-Special aus dem Hosenbund. Sie schoß zweimal schräg von oben nach unten,
um eine möglichst lange Bahn durch das Schloß zu ziehen. Dann hob sie den Fuß
und trat zu. Ich erinnere mich genau, daß sich maßlose Verblüffung in mir
ausbreitete, weshalb ausgerechnet diese Frau niemals ohne diesen
blauschimmernden Tötungsapparat durch den Tag ging. Die Tür schlug gegen das
Handtuchregal. Es knallte laut.

    Enzo saß in seinem schwarzen Wildseidenanzug auf den Fliesen.
Er hatte die Jacke ausgezogen und nahm uns nicht wahr. Er atmete heftig, hatte
etwas in seiner rechten Hand und schnitt hochkonzentriert an seinem linken
Handgelenk herum. Er war voll Blut, alles um ihn herum war voll Blut. Scherben
lagen neben ihm, er hatte den Spiegel über dem Waschbecken zertrümmert, um an
Scherben heranzukommen, mit denen er sich töten konnte.

    Aus den folgenden Stunden habe ich nur wenige klare Erinnerungen
mitgenommen: Ich rief den Arzt Detlev R. Horch in Dreis an. Und ich rief bei
dem Psychiaterehepaar Matthias und Gerlinde an. Horch war, wie es so seine Art
ist, innerhalb von vier oder fünf Minuten bei uns. Wir hatten Enzo nicht dazu
bewegen können, uns wahrzunehmen. Er saß noch immer auf den Fliesen und starrte
sein zerschnittenes Handgelenk an. Ich erinnere mich, daß Horch mit geradezu wunderbarer
Gelassenheit sagte: »Keine Angst, mein Freund, keine Angst. Es kann Ihnen
nichts mehr geschehen.«

    Gerlinde erschien etwas später, aber ich weiß nicht mehr, wann
genau. Enzo lag blutverschmiert auf meinem Bett und reagierte noch immer nicht.
Er war vollkommen in sich und seinen Schmerz versunken. Gerlinde und Horch
wechselten nur wenige Worte, was sie genau sprachen, weiß ich nicht. Dagegen
weiß ich, daß Gerlinde mich an der Hand nahm und sagte: »Mach dir keinen
Vorwurf. Sei froh, daß es hier bei dir passiert ist. Es wäre sowieso passiert.«
Und zu Jenny sagte sie: »Keine Sorge. Ich nehme ihn mit mir nach Wittlich, und
ich werde mich um ihn kümmern.«

    Es mußte sieben Uhr abends gewesen sein, als ich aus dem Haus
auf den Hof trat. Das Sonnenlicht war noch immer grell und stand jetzt in
meinem Rücken. Jenny saß mit Rodenstock und Emma am Gartentisch.

    Â»Jenny kann hier schlafen«, schlug ich vor. »Dann ist sie
schneller in Wittlich.«

    Wir aßen irgend etwas: Brot und Käse und Schinken. Rodenstock
hatte eine Flasche Weißwein geöffnet, es war sehr ruhig, nur eine Grille hockte
irgendwo am Teich und liebte das Leben.

    Â»Wir haben Jenny gesagt, daß es gut war, daß Enzo den
Zusammenbruch hier erlebte«, murmelte Emma.

    Â»Ich verstehe das jetzt«, sagte Jenny. Ohne jede Schminke war
sie noch schöner. Auf ihrer Stirn waren zwei sehr steile, tiefe Falten.

    Satchmo hockte neben meinen Beinen und rieb sich maunzend an
ihnen. Ich schnitt ihm ein kleines Stück Schinken ab und gab es ihm. »Jenny,
wir können uns vielleicht duzen, ich bin Siggi. Was hast du gedacht, als du von
dem Mord an Cherie gelesen hast?«

    Sie überlegte eine Weile. »Es war irgendwie abartig. Ich habe
es gelesen, und ich habe als erstes gedacht: Irgendwann mußte so etwas
passieren. Ich war überhaupt nicht erstaunt.«

    Â»Wir haben dir etwas verschwiegen«, sagte Emma leise.
»Narben-Otto ist auch getötet worden.«

    Die Grille zirpte noch immer.

    Â»Irgend jemand ... ein Rächer!« sagte Jenny.

    Â»Wofür nimmt er denn Rache?« fragte Emma.

    Â»Für den Haufen kaputter Seelen«, erklärte sie. Es klang so,
als sei

Weitere Kostenlose Bücher