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Eifel-Wasser

Eifel-Wasser

Titel: Eifel-Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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möglichst guten Noten.
    In jedem vierten Bau befand sich ein Tante-Emma-Laden, der den ganzen griechischen Charme verströmte und auf engstem Raum alle Herrlichkeiten anhäufte, die wir für unseren Alltag unbedingt brauchen. Vom Quietscheentchen bis hin zum Rasierschaum, vom deutschen Camembert bis zum griechischen Fladenbrot, nichts fehlte. Man konnte sogar Plastikblumen aus Korea kaufen und Schnaps aus Taiwan. Wir entdeckten einladende Kneipen, Restaurants und bistroähnliche Einrichtungen, die auf ihren Werbetafeln mit dem Begriff der Tnternationalen Küche‹ spielten. Das alles erweckte bei mir den Eindruck, dass die Inselbewohner vom Tourismus vollkommen wehrlos im Schlaf überrascht worden waren und nun zusehen mussten, wie sie in dem Chaos überleben konnten, das sich, Jahr für Jahr aus dem Norden einfliegend, über sie stülpte wie eine solide, luftdichte Plastiktüte.
    Wir tranken etwas bei einem Wirt, den alle Michaiis nannten und der Vera das erste Glas Rotwein spendierte und dabei in reinstem Pidginenglisch betonte, der kretische Wein sei der absolut beste der Welt und glücklicherweise gäbe es davon so wenig, dass sie ihn bequem auf der Insel vernichten könnten. Er schoss, unermüdlich Liebesbeteuerungen murmelnd, zwischen seinen Gästen umher und war ein freundlicher, ständig scherzender, kugeliger Mann, dessen Augen große Klugheit verrieten, die er aber offenkundig für seine Landsleute reservierte.
    »Was überlegst du?«, fragte mich Vera.
    »Dass Deutsche mal versucht haben, dieses Land zu erobern, dass sie es verheerten und verwüsteten. Und vor allem viele Griechen töteten.«
    »Die augenblickliche Form der Eroberung bringt beiden Seiten etwas«, lächelte sie.
    »Ich weiß nicht«, sagte ich. »Aber hör nicht auf mich, ich bin mies und melancholisch drauf.«
    »Wenn du hier Geld verstecken wolltest, wo würdest du das tun?«
    »Die Sommer sind heiß, daher muss ich es so unterbringen, dass es nicht verbrennen kann. Also nicht in einem Gebäude, aber auch nicht auf den Freiflächen irgendwo an den Berghängen. Breidenbach war ein Naturfreak, kannte die Eigenheiten dieser Insel sehr genau. Im Winter und Frühjahr schießen hier unendliche Wassermassen ins Meer, sodass es überall feucht ist und die Wege zu wilden Bächen werden. Wo ist es nicht feucht, wo kann das Geld keinen Schimmel ansetzen? Es muss sicher sein vor Nagern, vor Mäusen zum Beispiel, oder vor Vögeln, die aus dem Papier dankbar ihr Nest formen würden. Breidenbachs Zukunft hing von diesem Geld ab. Es musste ständig verfügbar sein. Dann droht die Einführung des Euro, er musste also die Möglichkeit haben, es vorher tauschen zu können. Ich glaube nicht, dass er es der Bank von Griechenland anvertraute. Vielleicht hat er es in Portionen geteilt und diese Portionen irgendwo getrennt untergebracht, sodass er jederzeit und unauffällig an das Geld herankonnte. Die Möglichkeiten sind endlos. Lass uns jetzt Breidenbachs Paradies besichtigen, dann kommen wir noch rechtzeitig zum Essen.«
    Wir versuchten, auf den Hang zu gelangen, der jenseits des Tales von Alecas kleinem Dorf lag. Nach drei Anläufen erwischte ich endlich den richtigen Feldweg.
    Das Haus war, wie alle einfachen Häuser für die ursprünglich in der Landwirtschaft tätigen Familien, in Würfelform gebaut und hatte drei Räume. Eine Küche, ein Raum für die Nacht, ein zweiter für den Tag. Breidenbach hatte vorgehabt, den Grundriss als Viereck zu belassen, aber um das mindestens Vierfache zu vergrößern. Das erkannte man an den in Stahlbeton aufgeführten Grundmauern, die noch nicht höher als dreißig Zentimeter waren.
    Eine kleine Betonmischmaschine rostete vor sich hin, ein Haufen Sand, ein Haufen Steine, ein Haufen feiner Kies und über allem eine ganze Sammlung zerbrochener Träume.
    Wortlos fuhren wir wieder. Die Sonne stand inzwischen gelbrot als riesiger Ball am Himmel.
    Aleca hatte einen Choriatiko gemacht, den weltberühmten griechischen Hirtensalat, sehr bunt, mit weißen Käsewürfeln. Dazu ein Pastizio, einen Nudelauflauf mit Gehacktem, viel Knoblauch und feinen Kräutern. Auf dem Tisch brannten die drei Kerzen, in einer kleinen, schmalen Vase standen violette Blumen, deren Namen ich nicht kannte. Zwischen dem Ort unten am Meer und diesem kleinen Haus im Berg lag eine ganze Welt.
    »Ich habe mir die Sache überlegt«, sagte sie gedankenvoll. »Man erwartet von Freunden und Wirtsleuten, dass sie schweigen. Aber Breidenbach, Karl-Heinz Messerich

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