Eighteen Moons - Eine grenzenlose Liebe (German Edition)
Bericht über seine Kindheit bei Silas Ravenwood mitangehört hatte – und Silas sich als ein sadistischer Schinder erwiesen hatte, der sich die Zeit damit vertrieben hatte, John windelweich zu prügeln und ihn zu zwingen, seine Anti-Caster-Sprüche auswendig zu lernen –, hatte sogar ich ein bisschen Mitleid mit John. Zugegeben hätte ich das aber nie.
Liv schrieb jedes Wort mit. »Also, fest steht, dass Silas die Caster hasst. Was umso bemerkenswerter ist, da er zwei von ihnen geheiratet hat.« Mit einem Seitenblick auf John fügte sie hinzu: »Und einen großgezogen hat.«
John lachte, aber die Bitterkeit in seiner Stimme war nicht zu überhören. »Lass ihn das bloß nicht hören. Silas und Abraham haben mich nie für einen Caster gehalten. Wenn man Abraham glaubt, dann bin ich die ›nächste Generation‹ – stärker, schneller, unempfindlich gegen Sonnenlicht und lauter solche praktischen Sachen mehr. Für einen Dämon redet Abraham ziemlich viel vom Weltuntergang. Er glaubt, dass das Ende nahe ist. Notfalls beschwört er es höchstpersönlich herauf, Hauptsache, die ›niedere Rasse‹ wird dann endgültig ausgelöscht.«
Ich rieb mit beiden Händen über mein Gesicht und fragte mich, wie viel ich noch ertragen konnte. »Ich schätze, das sind schlechte Neuigkeiten für uns Sterbliche.«
John warf mir einen seltsamen Blick zu. »Mit der niederen Rasse sind nicht die Sterblichen gemeint; ihr steht sowieso am untersten Ende der Nahrungskette. Er spricht von den Castern.«
Liv klemmte sich den Bleistift hinters Ohr. »Mir war gar nicht klar, wie abgrundtief er die Lichten Caster hasst.«
John schüttelte den Kopf. »Ihr versteht das falsch. Ich spreche nicht von Lichten Castern. Abraham will alle Caster loswerden.«
Lena blickte erstaunt auf.
»Aber Sarafine …«, setzte Liv an.
»Die ist ihm völlig egal. Er sagt ihr nur das, was sie von ihm hören will.« John klang ungewöhnlich ernst. »Abraham Ravenwood schert sich um niemanden auf der Welt.«
Es gab viele Nächte, in denen ich nicht schlafen konnte, heute wollte ich nicht schlafen. Ich wollte nicht an Abraham Ravenwoods Weltuntergangspläne denken und auch nicht daran, dass die Welt sich selbst zerstören würde, wie die Lilum gesagt hatte. Es sei denn, jemand würde sich opfern. Jemand, den ich erst noch finden musste.
Im Schlaf würden sich diese düsteren Gedanken in Bäche von Blut verwandeln, die so wirklich waren wie die feuchte Erde in meinem Bett, als ich Lena zum ersten Mal begegnet war. Ich wollte mich an einen Ort zurückziehen und mich verstecken, an dem mich weder die Albträume noch die Blutbäche noch die Wirklichkeit einholen konnten. Und dieser Ort hatte sich für mich immer schon in einem Buch befunden.
Ich wusste auch genau, in welchem. Es war keines der Bücher unter meinem Bett, es war ein Buch in einer der Schuhschachteln, die sich entlang der Wand stapelten. Darin bewahrte ich alles auf, was mir wichtig war; ich kannte den Inhalt jeder einzelnen Schachtel.
Dachte ich zumindest.
Aber jetzt stand ich da und wusste nicht weiter. Ich betrachtete die knallbunten Kartons und kramte in meinem Gehirn nach der inneren Landkarte, die mich zu der richtigen Schachtel führte. Aber da war nichts. Meine Hände fingen an zu zittern. Meine rechte, mit der ich früher geschrieben hatte, und meine linke, mit der ich jetzt schrieb.
Ich wusste nicht, wo das Buch war.
Irgendetwas stimmte nicht mit mir und das hatte nichts mit Castern oder Hütern oder der Ordnung der Dinge zu tun. Ich veränderte mich; mit jedem Tag verlor ich etwas mehr von meinem früheren Ich. Und ich wusste nicht, warum.
Lucille sprang von meinem Bett herunter, als ich anfing, die Deckel von den Schachteln zu reißen, hektisch darin herumzuwühlen und alles auf dem Fußboden zu verstreuen, von Kronkorken über alte Eintrittskarten bis hin zu den vergilbten Fotos meiner Mutter. Ich machte so lange weiter, bis ich es in einer schwarzen Adidas-Schachtel fand. Ohne große Hoffnung hatte ich in den Karton gesehen, und da lag es – mein Exemplar von John Steinbecks Von Mäusen und Menschen.
Es war keine fröhliche Geschichte, keine, von der man erwarten würde, dass sie quälende Gedanken vertrieb. Aber ich hatte einen Grund dafür. Sie handelte von Opfern – davon, dass man sich selbst opferte oder dass man jemand anderen opferte, um seine eigene Haut zu retten. Denn das war genau die Frage, um die es hier ging.
Während ich die Seiten umblätterte, hatte ich das
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