Eighteen Moons - Eine grenzenlose Liebe (German Edition)
Heizungskeller bis zu einer Wochenration Eiskonfekt aus Ammas Gefrierschrank. Auf jeden Fall kam man immer mit einem Arm oder einem Bauch voll irgendwas aus dem Keller zurück.
Am Fuß der Treppe befand sich ein Türrahmen aus Kantholz. Darin befand sich keine richtige Tür, sondern nur ein Schnurvorhang. Ich schob ihn beiseite, wie ich es schon tausendmal getan hatte, und da stand Ammas hochberühmte Sammlung vor mir. Jedes Haus hier in der Gegend hatte einen Vorratskeller, aber dieser hier war einer der bestsortierten weit und breit. In Ammas Einmachgläsern fand man alles, angefangen von eingelegten Wassermelonen und den dünnsten grünen Bohnen bis hin zu den rundesten Zwiebeln und den tadellosesten grünen Tomaten. Ganz zu schweigen von den Pastetenfüllungen und dem eingelegten Obst – Pfirsiche, Pflaumen, Rhabarber, Äpfel, Kirschen. Die Reihe war so lang, dass einem schon vom Hinsehen der Mund wässrig wurde.
Ich fuhr mit der Hand über das oberste Regal, wo Amma ihre größten Köstlichkeiten aufbewahrte, die sie für besondere Anlässe reserviert hatte. Alles war genau abgezählt, so als wären wir bei der Army und die Gläser enthielten Penicillin oder Munition – oder vielleicht auch Landminen, denn genauso vorsichtig musste man mit ihnen umgehen.
»Was für ein Anblick.« Hinter mir im Türdurchgang stand Liv.
»Ich wundere mich, dass Amma dir erlaubt hat, hier runterzukommen. Das ist ihr Geheimlager.«
Liv nahm ein Einmachglas und hielt es hoch. »Es glänzt so.«
»Das Gelee muss glänzen und das Obst darf nicht schwimmen. Die Gurken müssen alle die gleiche Größe haben, die Karotten müssen hübsch und rund und die Anzahl immer gerade sein.«
»Wie? Wieso muss die Anzahl gerade sein?«
»So kocht man richtig ein, verstehst du?«
»Klar.« Liv lächelte. »Was würde Amma denken, wenn sie wüsste, dass du ihre Küchengeheimnisse preisgibst?«
Wenn jemand Ammas Küchengeheimnisse kannte, dann ich. Seit ich denken konnte, trieb ich mich bei Amma in der Küche herum, ich hatte mir die Finger an allem verbrannt, was ich nicht anfassen sollte, hatte Steinchen und Ästchen und weiß der Teufel was noch alles in harmlose Einkochgläser geschmuggelt. »Die Flüssigkeit muss jedenfalls den ganzen Inhalt bedecken, egal was es ist.«
»Sind Blasen ein gutes oder ein schlechtes Zeichen?«
Ich lachte. »In Ammas Einmachgläsern wirst du niemals Blasen finden.«
Liv zeigte auf das unterste Regal. Darin stand ein Glas, das voller Blasen war; man hätte meinen können, Amma habe die Blasen statt der Kirschen einmachen wollen. Ich kniete mich vor das Regal und holte das Glas heraus. Es war alt und von Spinnweben überzogen. Mir war es bisher noch nie aufgefallen.
»Das kann unmöglich von Amma stammen.« Ich drehte das Glas in meiner Hand. AUS DER KÜCHE VON PRUDENCE STATHAM. Ich schüttelte den Kopf. »Das gehört Tante Prue. Sie muss verrückter sein, als ich dachte.« Niemand schenkte Amma etwas, das aus einer anderen Küche als ihrer eigenen kam. Zumindest niemand, der seine Sinne beisammenhatte.
Ich wollte das Glas gerade wieder an seinen Platz zurückstellen, als ich im Halbdunkel des untersten Regals ein abgegriffenes Stück Schnur entdeckte.
»Warte mal, was ist denn das?« Ich zog an der Schnur und die Regale gaben ein ächzendes Geräusch von sich. Es hörte sich an, als würden sie jeden Moment umkippen. Ich tastete die Schnur entlang, bis ich die Stelle gefunden hatte, an der sie aus der Wand kam. Ich zog noch einmal und die Holzwand gab nach. »Dahinten ist etwas.«
»Sei vorsichtig, Ethan.«
Die Regale schwangen langsam nach vorn und gaben einen Raum frei. Hinter dem Vorratskeller lag eine Geheimkammer, mit Wänden aus rohen Ziegelsteinen und einem Lehmfußboden. Am anderen Ende mündete der Raum in einen düsteren Gang. Ich ging hinein.
»Ist das ein Tunnel?«, fragte Liv.
»Ich glaube, das ist ein Geheimgang, den Sterbliche angelegt haben.« Aus dem düsteren Tunnel heraus sah ich Liv an, die noch immer im Vorratsraum stand. Umringt von Ammas Allerlei in Gläsern, wirkte sie wie in Sicherheit.
Da wurde mir schlagartig klar, wo ich mich befand. »Ich hab solche geheimen Räume und Tunnel schon mal gesehen. Auf alten Bildern. Aus der Gefangenschaft entflohene Sklaven haben sie benutzt, um nachts unbemerkt die Häuser zu verlassen.«
»Willst du damit sagen …«
Ich nickte. »Ethan Carter Wate oder einer aus seiner Familie gehörte zur Underground Railroad.«
Temporis
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