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Ein altes Haus am Hudson River

Ein altes Haus am Hudson River

Titel: Ein altes Haus am Hudson River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Wharton
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haben schienen), ein armseliges, mühsames Nachgeplapper, verglichen mit dieser schonungslosen Prosa, die in ihrer schroffen Deutlichkeit fast telegrammartig wirkte. Sie las weiter, versunken.
    « Und?», fragte Lewis triumphierend.
    Sie kam von weit her zu ihm zurück.«Was für ein seltsamer Text – wie schrecklich!»
    « Gut, oder? Diesen Jungen muss man im Auge behalten. Findest du nicht auch, Frenny?»
    Frenside stand auf und warf seinen Zigarrenstummel in die Asche.«Tja, das fragt sich. Das ist so ein ‹Stückchen Leben› der ersten Stunde, höchstwahrscheinlich eine eigene Erfahrung. Es bleibt abzuwarten, was geschieht, wenn er etwas in Angriff nimmt, was nichts mit ihm zu tun hat. Das wäre die Nagelprobe.»
    Halo fragte:«Hat er sonst nichts geschickt?», und Frenside stöberte erneut in seinen verblassten Erinnerungen. Doch, das habe er – Artikel und Kurzgeschichten, alles unausgegorenes Zeug, unbrauchbar. So laufe es immer; jeder einigermaßen geschickte Bursche bekommt am Anfang einmal einen guten Text hin …
    « Das hier zeigt mehr als Geschick.»
    Frenside zuckte die Achseln, sagte, er hoffe es, verabschiedete sich und schlurfte in die Halle hinaus, wo er sich brummelnd von Tarrant in den Mantel helfen ließ. Dieser kam zurück, rieb sich die Hände und lächelte.«So, meine Liebe, da hast du deinen großartigen Kritiker. Er kann sich nicht einmal erinnern, wann und wie er eine solche Sache in die Hände bekommen oder ob ihm der Junge noch andere, ebenso gute Texte geschickt hat! Wer weiß, was uns da verloren gegangen ist – oder wie wir seiner jetzt habhaft werden sollen. Keine Spur von seiner Adresse in den Büchern. Wie es in dieser Redaktion zuging …!»Er ließ sich am Kamin nieder, verzog den Mund und rümpfte sarkastisch die Nase.«Ich schmeichle mir, dass die Dinge von nun an anders laufen werden.»
    « O Lewis! Natürlich – bei deiner Begabung!»
    Er strich sich zögernd über den dünnen Schnurrbart; sie wusste genau, dass er mit seiner Hand nur eine allzu deutliche Befriedigung zu verbergen suchte.«Nun ja, es ist wohl so: Entweder man hat den Instinkt, oder man hat ihn eben nicht», murmelte er.
    « Ich bin so froh, Liebes, dass du ihn hast. Du hast sofort erkannt, was das hier wert war. Aber wir müssen den Jungen irgendwie auftreiben – inzwischen ist er wohl ein junger Mann», grübelte sie.«Das alles ist so lange her! Wie könnte man ihn wohl aufstöbern? Ach, über die Tracys natürlich! Ich werde gleich an Mrs Tracy schreiben.»
    Sie sprang auf, ging zum Schreibtisch und holte Papier und Stift heraus. Ihre Ungeduld wurde jedoch noch von der ihres Mannes übertroffen.«Nein, wir telegrafieren», sagte er gebieterisch,« ich schicke es ihm sofort. Wir brauchen etwas von ihm für unsere New-York-Nummer.»Insgeheim dachte sie:«Nichts ist zu gut für Vance Weston, jetzt, wo er Lewis’ Entdeckung ist.»Und sie errötete vor Scham über ihre Hellsichtigkeit. Rasch warf sie das Telegramm nach dem Diktat ihres Mannes aufs Papier, und als Tarrant hinausging, um es aufzugeben, ließ sie sich wieder in ihren Sessel fallen.
    « Wenn mein Kindchen gelebt hätte …», murmelte sie vor sich hin, und in dieser tieftraurigen Andeutung schwang so vieles mit, was sie mit anderen Augen gesehen oder vielleicht gar nicht gesehen hätte, wäre da ein kleiner Junge gewesen, warm, anstrengend, faszinierend, der sie und ihren Mann enger zusammengeschmiedet und gleichzeitig wie ein Schutzschild zwischen ihnen gestanden hätte.

17
    Eines nasskalten Herbstabends, als Vance müde und niedergeschlagen aus der Redaktion des«Offenen Worts»heimkam, stürzte ihm seine ältere Schwester Pearl, die immer herumschnüffelte und spionierte, in der Diele mit der Nachricht entgegen:« Hier ist ein Brief für dich von einer New Yorker Zeitschrift. »
    Vance folgte ihr in das überheizte Zimmer, wo die Familie auf Mr Weston wartete, um mit dem Abendessen zu beginnen. Mr Weston kam in letzter Zeit immer zu spät. Das Immobiliengeschäft in Euphoria befand sich gerade in einer Flaute, und er war ständig unterwegs und versuchte, eines günstigen Angebots habhaft zu werden, seinen Tätigkeitsbereich auszuweiten und insbesondere ein Stück von dem Kuchen in Swedenville abzubekommen, das in letzter Zeit einen unerwarteten Boom erlebte.
    Es saßen viele Menschen in dem hell erleuchteten Zimmer mit dem riesigen rosa Trichtergrammophon auf der gehäkelten Tischdecke, mit der«Mona Lisa»(Maes Beitrag) und dem« Licht

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