Ein amerikanischer Thriller
gewußt, wer dran ist?«
»Das muß an deiner Stimme liegen. Sag, kannst du wen
für mich überprüfen?«
»Kann ich, auch wenn du nicht mehr Deputy Sheriff bist
und ich es eigentlich gar nicht dürfte.«
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»Du bist ein Kumpel.«
»Das will ich meinen, vor allem, wenn ich daran denke,
wie du –«
»Der Name ist Darleen Shoftel. Ich buchstabiere D-A-R-
L-E-E-N S-H-O-F-T-E-L. Die letzte mir bekannte Adresse
lautet 1541 North Alta Vista, Los Angeles. Überprüf alle –«
»Ich weiß, was ich zu tun habe, Pete. Bleib du nur dran.«
Pete wartete. Weiter unten in der Straße gingen die Lichter
des Hauses an und aus – das FBI bei verdeckten Ermittlungen.
Karen meldete sich: »Darleen Shoftel, weiblich, weiß, Ge-
burtsdatum 9. 3. 32. Keine Fahndungsgesuche, kein Haftbe-
fehl, keine Eintragung im Vorstrafenregister. Bei der Bezirks-
polizei liegt nichts vor, aber die Sitte von West Hollywood
hat eine einschlägige Akte über sie. Darin findet sich eine
Eintragung vom 14. 8. 57. Der Manager von ›Dino’s Lodge‹
hat sie angezeigt, weil sie versucht haben soll, an der Bar
einen Freier zu finden. Sie wurde verhört, und man ließ sie
gehen, wobei der mit der Untersuchung betraute Detective
sie als ›Spitzen-Callgirl‹ bezeichnet hat.«
»Ist das alles?«
»Für einen Anruf gar nicht schlecht, will ich meinen.«
Pete legte auf. Er sah die Lichter im Haus ausgehen und
schaute auf die Uhr.
Boyd und Littel kamen heraus und stel ten ihr Zeug in den
Wagen. 16 Minuten insgesamt – ein »Black-bag«-Weltrekord.
Sie fuhren los. Pete lehnte sich an die Telefonzelle und
überlegte, was hinter der Sache steckte.
Sol Maltzman operierte allein, ohne daß das FBI et-
was ahnte. Boyd war hergekommen, um ihn wegen der
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Gretzler-Geschichte zu warnen und um die Absteige eines
Callgirls abhören zu lassen. Boyd war ein aalglatter Lügner.
»Der McClellan-Ausschuß hat mir was gesteckt.«
Boyd wußte, daß er Gretzler umgelegt hatte – einen Zeu-
gen des McClellan-Ausschusses. Boyd hatte Hoover gemeldet,
daß er Gretzler auf dem Gewissen hatte. Hoover hatte gesagt,
das geht mir am Arsch vorbei.
Boyds Wagen: auf Kosten des McClellan-Ausschusses
gemietet. Hoover: bekannter Bobby-Kennedy-Hasser und
Meister in doppeltem Spiel. Boyd war geschmeidig und ge-
bildet, wahrscheinlich ein fähiger Undercover-Agent.
Frage Nr. 1: Hat seine Undercover-Tätigkeit etwas mit
der Abhörgeschichte zu tun? Frage Nr. 2: Wer unterschreibt
meinen Scheck, wenn’s dabei was zu verdienen gibt?
Jimmy Hoffa vielleicht – auf den hatte es der McClellan-
Ausschuß vor allem abgesehen. Fred Turentine konnte die
Abhöranlage des FBI anzapfen und jedes Wort mitkriegen,
das sie aufschnappten.
Pete sah Dollarzeichen vor sich – Jackpot.
Er fuhr heim in die Wachhundehütte. Gail war auf
der Veranda – das glühende Ende ihrer Zigarette beweg-
te sich unruhig hin und her, als ob sie draußen auf- und
abspazierte.
Er parkte und ging zu ihr. Dabei trat er in einen übervol en
Aschenbecher, Kippen wurden zwischen den preisgekrönten
Rosen verstreut.
Gail wich ihm aus. Pete sprach besonders sanft und leise.
»Wie lange bist du schon hier draußen?«
»Seit Stunden. Sol hat alle zehn Minuten angerufen und
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um seine Akten gebettelt. Er sagt, du hättest ihm Akten
gestohlen und seist auf ihn losgegangen.«
»Das war rein geschäftlich.«
»Er war völlig außer sich. Ich konnte ihn nicht länger
ertragen.«
Pete versuchte, sie in die Arme zu nehmen. »Es ist kalt
hier draußen. Gehen wir rein.«
»Nein. Ich will nicht.«
»Gail –«
Sie wich aus. »Nein, ich will nicht in das schreckliche
große Haus!«
Pete ließ die Fingerknöchel knacken. »Ich kümmere mich
schon um Sol. Der wird dich nicht mehr belästigen.«
Gail lachte – schrill und unangenehm und mit einem
besonderen Unterton. »Bestimmt nicht.«
»Was willst du damit sagen?«
»Daß er tot ist. Ich habe bei ihm angerufen, weil ich ihn
beruhigen wol te, und ein Polizist hat abgenommen. Er sagte,
Sol habe sich erschossen.«
Pete zuckte mit den Schultern. Er wußte nicht, was er
mit seinen Händen anfangen sollte.
Gail rannte zu ihrem Wagen. Sie fuhr mit quietschenden
Reifen aus der Einfahrt – und fuhr beinahe eine Frau mit
Kinderwagen über den Haufen.
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(Washington, D. C., 7. 12. 58)
Ward hatte Angst. Kemper wußte, wieso: Mr. Hoovers Pri-
vataudienzen hatten es in sich.
Sie warteten im Vorzimmer. Ward hielt
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