Ein amerikanischer Thriller
Hoover. Abgesehen davon, daß Mr. Hoover über
Bobbys Pläne, Joe Valachi ins Fernsehen zu bringen, hoch
verärgert ist. Er macht sich ernsthaft Sorgen, daß Valachis
Enthül ungen sein Prestige beschädigen und al das zerstören
könnten, was Sie und Ihre Freunde in jahrelanger Arbeit
aufgebaut haben.«
Carlos errichtete einen kleinen Banknotenwolkenkratzer.
Die Bündel türmten sich auf seiner Schreibunterlage.
Littell warf sie um. »Ich glaube, Mr. Hoover will, daß es
geschieht. Ich glaube, er rechnet damit.«
»Wir haben alle daran gedacht. Wo immer ein paar Kerle
den Kopf zusammenstecken, kommt einer darauf zu sprechen.«
»Es ist machbar. Und zwar so, daß wir mit sauberen
Händen dastehen.«
»Das heißt …«
»Das heißt, daß die Tat derart kühn und ungeheuerlich
ist, daß wir wahrscheinlich nie verdächtigt werden. Das heißt,
daß selbst im Fal des Fal es die Mächtigen begreifen werden,
daß sie niemals schlüssige Beweise finden werden. Das heißt,
daß die Leute den Mann so in Erinnerung behalten werden,
wie er niemals war. Das heißt, daß wir ihnen eine Erklärung
bieten, die die Mächtigen der Wahrheit vorziehen werden,
obschon sie’s besser wissen.«
»Tun Sie es«, sagte Marcello. »Sorgen Sie dafür, daß es
passiert.«
850
87
(Sun Valley, 18. 9. 63)
Das Erschießungskommando teilte die Unterkunft mit Alliga-
toren und Sandflöhen. Kemper nannte das Gelände »Hoffas
verlorenes Paradies«. Flash baute Zielscheiben auf. Laurent
stemmte Baumstrünke. Juan Canestel war fahnenflüchtig
– er hätte um 8 Uhr zu Schießübungen antreten müssen.
Niemand hatte ihn abfahren hören. Juan neigte seit neu-
estem zu eigenartigen Ausflügen.
Kemper beobachtete Laurent Guéry beim Training. Der
Mann konnte dreihundert Pfund stemmen, ohne einen ein-
zigen Tropfen Schweiß zu vergießen.
Über die Hauptstraße wirbelte Staub. Teamster Boulevard
war zum Schießstand geworden.
Flash hatte das Transistorradio angedreht. Schlechte Nach-
richten knatterten aus dem Äther.
Keine Festnahmen im Zusammenhang mit dem Brandan-
schlag auf die Kirche in Birmingham. Die Sitzungen des neu
konstituierten McClellan-Ausschusses sollten im Fernsehen
übertragen werden.
Bei Lake Weir war eine Frau, mit einer Rolladenschnur
erdrosselt, gefunden worden. Die Polizei verfügte über kei-
nerlei Hinweise und bat die Öffentlichkeit um Mithilfe.
Juan war schon eine Stunde fahnenflüchtig. Pete seit drei
Tagen verschwunden.
Vor vier Tagen hatte er den telefonischen Hinweis wegen
851
Néstor erhalten. Von einem unabhängigen exilkubanischen
Killer. Er hatte Guy Banister eine Nachricht für Pete
mitgegeben.
Guy hatte angerufen und die Übergabe bestätigt. Er habe
Pete in FBI-Gewahrsam gefunden. Er deutete an, daß mit
weiteren Razzien zu rechnen war.
Ein Sturm hatte vor zwei Tagen ihre Telefonanlage aus-
geschaltet. Pete konnte sie in Sun Valley nicht erreichen.
Kemper war gestern nacht zu einem Fernsprecher an der
Interstate gefahren. Er hatte sechsmal bei Pete zu Hause
angerufen und keine Antwort erhalten.
Néstor Chascos Tod gelangte niemals in die Schlagzeilen. Pete
hätte die Leiche bestimmt an einem auffäl igen Ort deponiert.
Pete würde den Mord als die Tat von Castro-Anhängern
tarnen. Pete würde sicherstel en, daß Trafficante davon erfuhr.
Der morgendliche Dexedrinschub zeigte Wirkung. Er
brauchte jetzt zehn Tabletten, um mit Schwung in den Tag
zu kommen – er konnte nun Riesenmengen vertragen.
Juan und Pete waren verschwunden. Juan war seit kurzem
oft mit Guy Banister zusammen – mit dem er al e paar Tage
kleinere Sauftouren nach Lake Weir machte.
Mit Pete schien etwas nicht zu stimmen. Mit Juan schien
etwas ein bißchen eigenartig.
Der Amphetaminrausch gab ihm das Gefühl, etwas un-
ternehmen zu müssen.
Juan fuhr einen bonbonroten Thunderbird, den Flash seinen
»Vergewaltigungsschlitten« nannte.
Kemper fuhr durch Lake Weir. Die Stadt war klein und
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schachbrettartig angelegt – der Vergewaltigungsschlitten
würde unschwer zu entdecken sein.
Er überprüfte Seitenstraßen und Bars in der Nähe des
Highway. Er überprüfte »Karl’s Kustom Kar Shop« und jeden
Parkplatz an der Hauptstraße.
Kein Juan. Kein aufgemotzter Thunderbird.
Das mit Juan hatte Zeit. Das mit Pete war wichtiger.
Kemper fuhr nach Miami. Die Pillen fingen allmählich
an, kontraproduktiv zu wirken – er mußte andauernd gähnen
und schlief beinahe am
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