Ein anderes Leben
wird bald vierzehn. Es ist wie eine Besessenheit, abhängig zu werden.
Es ist die erste Sucht.
Er weiß jetzt, dass er eine Suchtnatur ist, und die Hölle kommt immer näher. Immer wieder tappt er in die Sündenfalle. Mindestens einmal am Tag, aber gern auch zweimal, besucht er das Plumpsklo, und die kleine weiße Blase wird nach und nach größer, mit der Zeit weiß, fließend, eine Art Fontäne, und gibt jedes Mal Genuss und Sündenschuld.
Seine Phantasieobjekte variieren anfänglich.
Zuerst ist es die Vorstellung von einer fetten kleinen Dame, die im Konsum aushilft; sie ist die erste, in die er sich entleert. Dann immer öfter und eigentümlicherweise Königin Sibylla – oder ist sie Prinzessin?, er entscheidet sich für Königin –, deren strenges und abweisendes Gesicht in einem seltsamen Widerspruch steht zu der fülligen Büste, die man auf den Fotos ahnen kann. Unverdauter Freud , wird ihm später im Leben vorgeworfen; ist dies schon der Anfang? Die Königin beschäftigt seine Phantasiewelt immer intensiver; er kann tagsüber mit abwesendem Blick herumlaufen, als sei dieser nach innen gerichtet in die rätselhaften kindlichen Abgründe: Tatsächlich aber denkt er an nichts anderes als Königin Sibyllas liederlich schwellenden Körper, den er still, aber unerbittlich penetriert. Er ist in ihr, aber fern von dieser Welt.
Die Mutter, die seinen in die Ferne gerichteten reinen Kinderblick sieht und missdeutet, sagt schelmisch Du bist eine richtige Dichternatur, du! Er zuckt dann schuldbewusst zusammen und verlässt den bebenden und willigen nackten Hintern der lasziven Königin, der sich ihm so gierig öffnet und der auf so erregende Art und Weise ihren eiskalten und beinahe hasserfüllten Gesichtsausdruck Lügen straft.
Die Rettung wird schließlich der Katalog von Åhlén & Holm.
Obgleich jede Art von unzüchtigen Bildern in den Dörfern ja undenkbar ist, und dies an und für sich eine sexuelle Phantasiewelt von ungeahnten Ausmaßen schafft, können sich irrtümlich doch sexuelle Bilder einschleichen, wo man es am wenigsten vermutet; unschuldsvoll und dennoch mit der ganzen dynamischen Kraft der Sünde auftretend. Jedes Jahr kommt der Postversandkatalog von Åhlén & Holm mit seinem phantastischen Reichtum an praktischen und unnötigen Gegenständen, die meisten aus finanziellen Gründen vollkommen unerreichbar; aber doch Lesestoff, phantasieanregend und verlockend.
Dort findet sich auch die BH-Werbung.
Sie kann erstaunlicherweise dem wachenden Auge der Erweckungsbewegung entgehen, weil die Bilder der scheinbar ganz steifen, marmorgleichen, absolut unsinnlichen, bekleideten weiblichen Brüste ungefährlich zu sein scheinen; alle Köpfe sind abgeschnitten, die Unterkörper ebenso. Doch was bleibt, ist dennoch eine Art Torso, dessen Brüste zwar mit panzerähnlichen Büstenhaltern bekleidet sind, deren Konturen man aber ahnt. Kein Zweifel: Dies sind Frauenbrüste.
Auf irgendeine Weise entkleidet. Vielleicht sogar die von Königin Sibylla. Schwer, das Gegenteil zu beweisen.
Er kann jetzt betrachten, und phantasieren, und seine ganze vulkanartig aufwallende Dichternatur nutzen. Das Plumpsklo draußen ist vielleicht kein natürlicher Platz für Åhlen & Holms umfangreichen Katalog, doch warum nicht? Er sagt der Mutter, dass er sich in Schraubenzieher und Haushaltsgeräte vertiefen muss. Er erklärt, dass es ganz natürlich ist, wenn der Katalog auf dem Plumpsklo landet. Es ist ja Lektüre für alle. Besonders zur Weihnachtszeit. Er kann sogar andeuten, dass dieser alte Katalog, auf dem Lokus abgelegt, als Klopapier Verwendung finden kann. Besser als das Norran oder die gespaltenen Lokusspäne.
Die Erweckungsbewegung ließ hier durch diese Reklameseiten im Katalog von Åhlén & Holm Blößen an ihrem ungeschützten Bauch entstehen. Es galt, die Augen offen zu halten. Das Verbotene, die eigentliche ozeanische Tiefenströmung der Sexualität, fand sich da, wo man sie am wenigsten vermutete. Auch in der Bibel! Das Alte Testament in der großen Familienbibel enthielt nicht nur einen verschwenderischen Reichtum an archäologischen Bildern, ägyptischen Fresken und aramäischen Kriegern, diesen ideengeschichtlichen Reichtum, der alle spätere Bildung übertraf, sondern auch Dorés phantastische und beinahe schwellende Bilder des menschlichen Körpers etwa, oft entkleidet.
Da gab es auch die Propheten des Alten Testaments! Diese liederlichen Texte!
Er las in Hesekiel 23 über die Verdammung der sündigen
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