Ein Anfang mit Biss - Rowen, M: Anfang mit Biss - Bitten & Smitten (Immortality Bites 01)
nicht, dass man ihm etwas antat. Ich wollte nur, dass er mich in Ruhe ließ.
»Das sollte eine recht unmissverständliche Botschaft für die Jäger sein«, meinte Dan zu Quinn. »Sie und Ihre Freunde haben letzte Woche meine Frau zur Strecke gebracht. Wir hatten gerade geheiratet.«
»Blödsinn!«, spie Quinn hervor. »Das Miststück hatte es sicher verdient.«
Ein tiefes Grollen entrang sich Dans Kehle.
Mir war übel. Ich wollte nicht weggehen, sondern Quinn helfen. Aber selbst wenn ich das tat, was dann? Konnte ich mir wirklich einreden, dass er mir verzeihen würde, was er offenbar für einen tragischen Makel an mir hielt? Nein. Er würde einfach nur erneut versuchen mich umzubringen. Irgendwie wirkte er recht dickköpfig.
Dans Freund kniete sich neben den anderen Vampir, packte Quinns Kopf und drehte ihn zur Seite, sodass sein Hals frei zugänglich war.
Dann hörte ich es – das Geräusch, das mich in meinen Träumen verfolgen würde. Das Geräusch von Reißzähnen, die sich in Haut und Fleisch gruben. Quinns kurzen, schmerzerfüllten und panischen Schrei. Ich schlug die Hand vor den
Mund. Warum hatte er nicht um sein Leben gefleht? Warum hatte er sie gereizt, ihnen unter die Nase gerieben, dass er mehr oder weniger direkt eine Mitverantwortung dafür trug, was Dans Frau zugestoßen war?
Dan sah zu mir hoch. Seine Augen waren so dunkel, dass sie fast schwarz zu sein schienen. Er hatte die Zähne gefletscht, und Zähne und Lippen waren blutverschmiert. Ich trat zitternd einen Schritt zurück.
»Verschwinden Sie«, sagte er und drehte sich wieder zu Quinn um.
Ich hörte auf nachzudenken, drehte mich um und rannte los, weg aus dem Korridor, in dem gebaut wurde, weg, weit weg von allem, dessen ich gerade Zeuge geworden war. Ich wollte es verdrängen, vergessen, was ich gesehen hatte, aber es war in mein Gedächtnis eingebrannt wie ein schreckliches Polaroidfoto.
Ich stieß die Tür der nächsten Toilette auf, rannte in eine Kabine und versuchte mich zu übergeben, aber da war nichts in meinem Magen, das ich hätte herauswürgen können.
Ich trat an ein Waschbecken, spritzte mir kaltes Wasser ins Gesicht und blickte in den großen Spiegel. Da war etwas in meinen Augen, eine Wildheit oder eine tiefsitzende Furcht, was ich zuvor noch nie gesehen hatte, und es gefiel mir überhaupt nicht. Außerdem war da noch etwas, etwas mit meinem Spiegelbild. Ich starrte es einige Augenblicke an, bis ich begriff, was es war.
Die Tür der Kabine direkt hinter mir. Ich... ich konnte sie sehen.
Ich blinzelte und sah genauer hin. Ja. Ich konnte undeutlich durch mein eigenes Spiegelbild sehen, was hinter mir war. Selbst das Graffiti auf der Tür: »Joanna liebt Tony«.
Mein Magen schien noch tiefer zu sinken. Aber das sollte doch noch gar nicht passieren. Nicht so schnell. Ich hatte zwar noch ein Spiegelbild, aber es begann bereits zu verblassen.
Ich war ein Vampir. Wirklich.
Ein boshaftes, mörderisches, blutsaugendes Monster.
Meine Knie gaben nach, und ich sank ohnmächtig auf den schmutzigen Boden der Damentoilette.
8
E ine Putzfrau stieß mich mit ihrem Turnschuh an. Ich blinzelte, schlug die Augen auf und sah zu ihr hoch.
»Sie brauchen Krankenwagen?«, fragte sie in gebrochenem Englisch.
Ich tastete nach meiner Handtasche und stand langsam, zitternd auf. »Nein.«
»Sie nehmen Drogen?«
»Nein, keine Drogen.«
Sie zuckte mit den Schultern und widmete sich ihrem Schrubber und dem Fußboden.
Wie lange war ich ohnmächtig gewesen? Nicht lange? Mein Gesicht war noch feucht von dem Wasser, das ich darauf gespritzt hatte.
Ich verließ die Toilette, obwohl ich nicht wusste, wohin ich jetzt gehen sollte, also ließ ich einfach meine Füße entscheiden. Und meine Füße wollten offenbar zur nächsten U-Bahn. Aber sie führten mich nicht nach Hause, nein. Sie schlugen den Weg zum Midnight Eclipse ein .
Am späten Nachmittag sah das Viertel anders aus, noch schmieriger, was ich kaum für möglich gehalten hätte. Die Vordertür war verschlossen. Im Fenster stand ein Schild. »GESCHLOSSEN«. Der Laden öffnete um neun, um neun Uhr abends, wohlgemerkt.
Ich klopfte trotzdem.
Ich würde nicht nach Hause gehen. Ich konnte nicht allein sein. Allein zu sein bedeutete, darüber nachdenken zu müssen, dass ich einen Mann hatte sterben lassen, ohne zu versuchen ihn zu retten. Ich empfand deswegen so starke Gewissensbisse, dass es mich innerlich fast auffraß.
Er war von Vampiren getötet worden. Vampiren wie mir.
Nein,
Weitere Kostenlose Bücher