Ein Ballnachtstraum
Erleichterung, Ralph loszuwerden. Es war natürlich nicht Drakes Karosse, aber das brauchte der Kerl nicht zu wissen. „Lauf weg, bevor er dich sieht.“
Grayson Boscastle, der Marquess of Sedgecroft, und seine Begleiter entstiegen der Kutsche. Seine beiden Brüder, Lord Heath und Lord Devon an seiner Seite, dahinter ihr Schwager Dominic Breckland, Viscount Stratfield.
Der goldblonde Grayson überragte seine Begleiter um Haupteslänge, eine wahrhaft imposante Erscheinung, in einen schwarzen wallenden Umhang gehüllt. Sein Bruder Heath wirkte nicht weniger Furcht einflößend. Devon, der Jüngste, war unbeschwert und voller Übermut, vom Leben noch nicht wirklich gezeichnet. Allerdings hatte er während seiner Militärzeit bewiesen, dass er sich im Handumdrehen von einem unverbesserlichen Charmeur in einen gefährlichen Gegner verwandeln konnte.
Dominic bildete die Nachhut, sein markantes Gesicht wachsam angespannt; er fügte sich gut in das Bild dieser Familie. Nur ein Dummkopf würde sich erdreisten, diese eingeschworene Gemeinschaft kraftvoller, entschlossener Männer herausfordern zu wollen. Bei all ihrer Unverfrorenheit hatte es indes keiner von ihnen gewagt, Drake in ihr Vorhaben einzuweihen, heimliche Nachforschungen über den Grund seines höchst seltsamen Verhaltens anzustellen.
Diese Zusammenkunft war von Devon einberufen worden, um über Drakes ungewöhnliches Interesse an einer Frau zu diskutieren, die ihn offenbar bereits in ein Duell verwickelt hatte. Nie zuvor hatte Drake einer Frau so viel Beachtung geschenkt und daraus auch noch ein Geheimnis gemacht. Sie war der Grund der Neugier und Besorgnis der männlichen Mitglieder der Familie.
Es war gleichfalls Devon, der Eloise mit einem Mann an der Gartentür beobachtete, der offensichtlich kein Diener des Hauses war. Kopfschüttelnd reichte er das Fernglas an Heath weiter. „Das sieht ziemlich verdächtig aus, findest du nicht?“
Heath schwieg zunächst. Er neigte nicht dazu, voreilige Schlüsse zu ziehen. „Das scheint mir tatsächlich ein heimliches Stelldichein zu sein.“
„Dabei wirkte sie so liebenswert und ehrlich auf mich“, meinte Devon stirnrunzelnd. „So etwas hätte ich nie vermutet.“
„Ich für meine Person kann allerdings nichts Liebenswertes und Ehrliches an einer Frau finden, die einen Mann zu später Stunde am Gartentor verabschiedet“, bemerkte Dominic trocken.
Heath bedachte ihn mit einem strengen Blick. „Und das sagt einer, der sich ständig nachts aus dem Schlafzimmer meiner Schwester geschlichen hat.“
Dominic grinste und ließ seine weißen Zähne aufblitzen. „Immerhin habe ich sie geheiratet.“
Grayson knurrte.
Heath schüttelte belustigt den Kopf und hob das Fernglas wieder an die Augen. „Das allerdings sieht nicht sehr günstig für die Dame aus.“
„Was denn?“, wollte Grayson wissen.
„Der Mann versucht, sie zu umarmen“, lautete die Antwort nach einer Weile.
„Vielleicht ist er ihr Bruder oder ein Vetter“, versuchte Dominic sie in Schutz zu nehmen.
„Vielleicht aber ist Miss Eloise Goodwin nicht das, was sie vorgibt zu sein“, entgegnete Grayson scharf. „Ich jedenfalls kann nicht begreifen, wieso Drake einer erfahrenen Kurtisane wegen einer … einer unscheinbaren Gouvernante den Laufpass gibt.“
„Das kommt mir auch merkwürdig vor“, pflichtete Dominic ihm bei. „Wobei sie eine ziemlich ansehnliche Person ist. Zumindest das, was ich von ihr am Fischteich wahrgenommen habe.“
Grayson verschränkte die Arme vor der Brust, deutlich ungehalten. „Ich bin dafür, mehr über sie herauszufinden.“
„Ich auch“, unterstützte Devon ihn.
Dominic hob die Hand. „Habe ich eine Stimme?“
„Selbstverständlich“, erklärte Grayson großmütig.
„Dann stimme ich mit Ja.“
Heath verfolgte den Mann, der sich in der nächtlichen Straße entfernte, immer noch durch das Fernglas. „Dann ist es beschlossene Sache. Wir stellen Nachforschungen über die Vergangenheit dieser jungen Frau an.“
„Überlasst das doch mir“, schlug Devon eifrig vor. „Ihr müsst euren Ehefrauen Rechenschaft ablegen, und außerdem stammt die ganze Idee von mir.“
Heath ließ das Fernglas sinken. „Ich bin gerne bereit, zu helfen.“
„Ich auch“, schloss Dominic sich an.
Grayson nickte. „Genau wie ich.“
„Das ist doch Unsinn.“ Devon lächelte seinem ältesten Bruder vertrauensvoll zu. „Überlass die Sache Dominic und mir. Wir beide können feinfühliger vorgehen als eine ganze
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