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Ein Band aus Wasser

Ein Band aus Wasser

Titel: Ein Band aus Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cate Tiernan
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locker-flockig?
    Angewidert von meiner eigenen Schwäche lief ich zielstrebig die Gasse hinunter. Auf einer Seite erhob sich eine ausgefranste Bambus-Einzäunung zwei Meter in die Höhe und schirmte das Haus von den Nachbarn ab. In diesem Moment verschwand die Sonne. Ich blieb stehen und blickte nach oben, um festzustellen, dass die für New Orleans so charakteristischen Gewitterwolken aufgezogen waren und den Himmel bedeckten. Großartig. Weil dieser Ort allein noch nicht genug Atmosphäre zu bieten hatte.
    Ein Mann kam aus dem Haus und ließ das Fliegengitter laut hinter sich zufallen. Mit gesenktem Kopf lief er eilig an mir vorbei in die kleine Gasse.
    Vor der Eingangstür blieb ich erneut stehen. Schief über mir hing eine Glühbirne in einer rostigen Fassung. Hinter dem Fliegengitter konnte ich nichts erkennen. Ich schluckte schwer und zog daran.
    Ich trat ein, unfähig, meinen Blick auf irgendetwas zu fokussieren. Ich blieb bei der Tür mit dem Fliegengitter stehen, bereit, sofort einen Satz nach hinten zu machen, wenn ich irgendetwas hörte – den Abzug einer Pistole zum Beispiel. Oh Gott, ich hatte solche Angst. Plötzlich dämmerte mir, wie viel Schreckliches mir hier zustoßen konnte, wie dumm ich gewesen war und dass ich wahrscheinlich in einem Fluss enden würde, den ich langsam hinuntertrieb. Lieschen Müller, irgendeine x-beliebige Person, die keiner kannte …
    » Brauchst du Hilfe, Liebes?«, fragte jemand. Vor Schreck hätte ich beinahe laut aufgeschrien. Die Stimme hatte einen so starken Südstaatenakzent, dass ich sie kaum verstand.
    » Ääääh«, sagte ich und blickte mich wild nach allen Seiten um. Inzwischen konnte ich einzelne Gegenstände erkennen: Regale und Poster an den Wänden und noch eine nackte Glühbirne, die in einer Ecke schwaches Licht verströmte.
    » Suchst du nach etwas? Hast du dich verirrt?« Die Stimme klang leicht irritiert, doch nicht unfreundlich.
    » Ich wollte zu Mama Loup’s«, sagte ich zögerlich.
    » Du hast sie gefunden. Was willst du von ihr?«
    Kerzen in allen Farben standen auf den Regalen. Einige davon hatten die Form von Menschen. Oder Körperteilen. Zum Beispiel auch ein …
    » Ich brauche einen Zauber«, murmelte ich, während ich die Motive der Poster in mich aufnahm, die mit Reißnägeln an den Wandpaneelen befestigt waren. Ich sah ein Konzertplakat, schon recht ausgerissen und verblichen, für eine Band namens Radiators.
    » Was für einen Zauber?«
    Ich konzentrierte mich auf die Person, die mit mir sprach. Eine Frau, irgendwo zwischen dreißig und sechzig. Ein knallbuntes Tuch bedeckte ihr Haar. Sie trug ein afrikanisches Gewand mit einem komplizierten Muster und hatte Plastik-Flip-Flops an den Füßen. In einer Hand hielt sie einen gefiederten Staubwedel, mit dem sie über die Regale gefahren war.
    » Schatz, willst du vielleicht einen Liebeszauber für deinen Freund oder so was?«
    Sie schien inzwischen amüsiert und ging zu einer gläsernen Truhe auf einer Theke, die schon ein paar Sprünge hatte. » Betrügt er dich? Willst du, dass es ihm so richtig leidtut? Dann habe ich genau das Richtige für dich.«
    » Nein«, sagte ich kaum hörbar und räusperte mich. Nun mach schon, Thais, zieh das durch. » Nein«, wiederholte ich deutlicher. » Ich brauche einen Zauber, der einem Hexer seine Kraft raubt.«
    Die Frau hinter der Theke hielt inne. Adrenalin strömte durch meine Adern, und mein Herz fühlte sich an, als würde es gleich aus meiner Brust springen. Ich trat näher an die Frau heran und versuchte stark und unerschrocken auszusehen.
    » Ich bin eine Hexe«, sagte ich fest, wobei ich hoffte, dass das keine Lüge war. » Ein anderer Hexer hat mir Unrecht getan. Ich will ihm seine Kraft entziehen, will, dass er wie eine leere Hülle zurückbleibt.«
    Die Frau blinzelte und betrachtete mich dann von oben bis unten, als wäre ich ein ausgestopftes Tier, das plötzlich zu sprechen begonnen hatte.
    Ich weiß nicht, was mich dazu brachte, noch ein Stück näher zu rücken. Sachte berührten meine Finger ihren Handrücken. Ich musste sie überzeugen, sie dazu bringen, mir zu helfen. Ich sah ihr tief in die Augen und konzentrierte mich auf die Kraft, die aus meinen Fingerspitzen strömte.
    Ihre braunen Augen weiteten sich. Sie starrte auf meine Hand und dann in mein Gesicht. Ich sah, wie ihr Blick für ein paar Sekunden auf meinem Muttermal verweilte. Jetzt war sie ganz ernst, überhaupt nicht mehr gönnerhaft, und sie machte auch keine Witze mehr.
    Ich

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