Ein Band aus Wasser
die Tinte so verblasst, dass ich die Worte kaum lesen konnte. Frustriert und in der Gewissheit, dass ich die Zeit verplemperte, blätterte ich mit dem Daumen durch die Seiten in der Hoffnung, auf eine Seite zu stoßen, die auf einmal ganz klar und deutlich geschrieben war und genau das beinhaltete, was ich brauchte.
Was natürlich nicht geschah. Das Einzige, was passierte, war, dass ein kleines gefaltetes Stück Papier zwischen den Seiten herausfiel und auf den dunkelgrünen Linoleumboden segelte. Ich hob es auf und öffnete es natürlich. Vielleicht eine alte Einkaufsliste. Oder ein Liebesbrief von irgendjemandem.
Es war eine Adresse. Hingekritzelt mit einem Füller, dessen Tinte verblasst war, und schwer zu entziffern. Mama Loup’s stand da. Ich kannte die Adresse nicht, was nichts bedeutete, da ich immer noch dabei war, mich in dieser Stadt zurechtzufinden, und mich in den gewundenen Straßen ununterbrochen verlief. Ich stellte das Buch ins Regal zurück, duckte mich wieder unter der goldenen Kordel hindurch und lief zur Vordertür, wo sich ein Stand mit Souvenirs befand, für den Fall, dass es einen Touri hereinverschlug.
Ich zog einen Plan von New Orleans hervor und suchte aus reiner Neugier die Straße. Ich meine, immerhin hatte ich sie in einem Buch aus dem abgetrennten Bereich im Botanika gefunden, auf dem Achtung geschrieben stand. Die Straße stellte sich als sehr kurz heraus und befand sich am Rande des Viertels, nahe der Rampart und Esplanade, zwischen zwei größeren Straßen, die sie wie bei einem H umgaben.
Ich entschloss mich, hinzugehen.
Obwohl ich mir den Stadtplan genau angesehen hatte, brauchte ich eine Weile, um die Straße zu finden. Während ich den Block abfuhr und nach einem Parkplatz Ausschau hielt, fiel mir auf, wie heruntergekommen die Gegend aussah. In New Orleans schien man allgemein eine sehr entspannte Haltung zur Müllentsorgung zu haben und wenn es darum ging, öffentliche Plätze sauber zu halten, doch ich war immer wieder schockiert, wenn ich durch etwas ärmere, benachbarte Viertel fuhr und merkte, wie sehr es hier nach Dritter Welt aussah. Und dass niemand das für unnormal oder besorgniserregend zu halten schien. Dies war eine dieser Straßen, nur ein paar Blocks vom geschäftigen Französischen Viertel entfernt, wo die Busse Touristen zu Tausenden ausspuckten, und dennoch schien sie der allgemeinen Aufmerksamkeit weit entrückt. Sie war sichtbar verlottert, mit verbogenen Maschendrahtzäunen, die in ihrer Verankerung nachgaben, Müll und braunen Klumpen voller Gras und Unkraut, die überall herumlagen. Die Straße war zu weiten Teilen bewohnt, die Häuser waren klein und ungepflegt, mit winzigen, schäbigen Höfen, abblätterndem Putz und Fensterläden, die nur an einem Scharnier hingen.
Nachdem ich den Block umfahren hatte, entschied ich mich für einen Parkplatz auf der Straße, den ich zuerst als zu weit weg befunden hatte, der mir aber jetzt wie eine vernünftige Option erschien. Für einen Moment blieb ich im Auto sitzen und murmelte jeden einzelnen Schutzzauber vor mich hin, den Petra mir beigebracht hatte. Ich versuchte, diese jämmerliche Blechbüchse von einem Auto zu schützen, mich selbst, die Luft um mich herum und so weiter und so fort. Ich merkte, wie mich vorbeilaufende Leute anstarrten. Mich, eine weiße Anomalie in dieser farbigen Nachbarschaft.
Wieder las ich die Zahlen, die die Adresse enthielt, stieg dann aus dem Auto, schloss es ab und lief die Straße entlang. Die Adresse führte mich zu einem normalen Haus. Stirnrunzelnd blieb ich davor stehen. Dann fiel mir auf, dass es doch kein so normales Haus war. Ein Stück eines kaputten Gehwegs führte seitlich daran vorbei, außerdem erblickte ich ein einfaches, handgeschriebenes Schild, auf dem neben einem Pfeil, der auf die Hinterseite des Gebäudes verwies, Mama Loup’s stand. Als ich mich gerade fragte, was ich nun tun sollte, kam eine Frau in die Gasse hinein und lief an mir vorbei.
» Sie können rein, wenn Sie wollen«, sagte sie mit freundlicher Stimme, deutete nach hinten und ließ mich durch das verrostete Eisentor treten.
» Okay«, sagte ich, noch immer zögernd. Dann kam mir ein Gedanke: Wenn ich es noch nicht mal schaffe, eine Gasse hinunterzugehen, die ein bisschen unheimlich ist, wie habe ich dann je geglaubt, mich an einem der mächtigsten Hexer der Welt rächen zu können? Wollte ich das jetzt, oder nicht? Hatte ich gedacht, dies würde ein leichtes Spiel? Sauber, lustig und
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