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Ein Band aus Wasser

Ein Band aus Wasser

Titel: Ein Band aus Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cate Tiernan
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abgefunden, dass er in Ungnade gefallen war. Die beiden gingen ihm so richtig auf die Nerven – Clio, die immer noch glaubte, Luc zu lieben, wo sie doch ganz offensichtlich auf ihn stand, und Luc, ein gieriger Bastard und Neidhammel. Beide Zwillinge konnte er nicht haben und trotzdem wollte er ihm Clio nicht überlassen.
    Zu schade.
    Denn Richard wurde so langsam klar, dass er sie durchaus wollte.
    Und zwar wirklich wirklich wollte.
    » Was kümmert es dich?«, fragte er, während er sich in den Türrahmen lehnte und seinen Whiskey trank. Er musste sich etwas zu essen besorgen – der Alkohol erinnerte ihn an seinen leeren Magen. Wie viel Uhr war es? Er hätte es nicht sagen können.
    » Halt dich von ihr fern«, wiederholte Luc und deutete mit dem Finger auf Richard. » Sie liebt mich und ich liebe sie.«
    Richard lachte. » Nein, das tust du nicht.«
    » Doch, das tue ich«, sagte Luc hartnäckig.
    Angewidert schüttelte Richard den Kopf. » Wie auch immer. Möge der Bessere gewinnen.«
    » Du bist doch nicht mal im Rennen!«, schrie Luc mehr als er sagte. » Du bist ihr verdammter Großvater!«
    Richard starrte ihn an. » Wovon zur Hölle redest du?«
    » Clio und Thais sind die dreizehnte Generation nach Cerise«, sagte Luc bedächtig. » Und von wem stammen Cerises Nachfahren ab?«
    Richtig. Richard war der Vater von Cerises Baby. Bei dem Gedanken vernahm er wieder das vertraute Stacheldraht-Gefühl in seinem Herzen. Dreizehn Generationen später hatte das Baby, das er gezeugt hatte, Nachfahrinnen, und das waren Clio und Thais. Ja, er war mit ihnen verwandt. Aber ganz entfernt. Unglaublich weit entfernt. Und ihre Verbindung war heute sicher nicht mal annähernd von Bedeutung.
    » Ich bin nicht ihr Großvater«, entgegnete Richard. » Der Prozentsatz, zu dem ich noch mit ihnen verwandt bin, ist so gering, dass ich ihn nicht mal ausrechnen kann.«
    » Aber deswegen seid ihr trotzdem verwandt! Ich sage dir, Richard, fass sie nicht an!«
    » Warum nicht, Luc?« Richard verlieh seiner Stimme einen milden Klang, von dem er wusste, dass Luc ihn als Wachsamkeit, wenn nicht gar offensichtliche Besorgnis deuten würde.
    » Sie gehört mir.«
    Richards Augen verengten sich zu Schlitzen. » Ach wirklich. Weiß sie das? Kann sie ihre Hände deswegen nicht von mir lassen?«
    Luc wirkte fassungslos, erholte sich aber schnell. Kopfschüttelnd stakste er zurück in sein Zimmer. » Du lügst.«
    » Ja«, antwortete Richard und hob die Stimme, sodass Luc ihn hören musste. » Sie und ich, wir lügen beide .«
    Luc knallte die Tür hinter sich zu.
    Richard schwenkte den Drink in seinem Glas und sah sich in seinem Zimmer nach Socken und seinen Biker-Stiefeln um. Er musste sich unbedingt etwas zu essen besorgen.

Kapitel 19
    Wenn er sie geliebt hätte
    » Weihrauch und Dingdong«, nannten sie den Stil, in dem Messen in der » Hochkirche« abgehalten wurden. Ein typischer Sonntag in einer immer noch sehr katholischen Stadt: Die Priester schwenkten ihr schweres Weihrauchgefäß aus Messing, trugen die Bibel durch die Kirche und beteten den Kreuzweg. Im Grunde genommen war es wunderschön, zivilisiert und gleichzeitig primitiv.
    Alle standen, Marcel ebenso. Er hatte die hintere Bank fast für sich allein – nur eine alte Frau stand noch am anderen Ende. Ein Strang aus Gagatperlen, ihr Rosenkranz, hing aus ihrer Hand. Automatisch klopfte Marcel seine Taschen ab, doch die einfachen Holzperlen, die er in seiner Mönchskutte einst überall mit sich getragen hatte, waren nicht da.
    Zeit für die Predigt. Der Priester stieg auf die Kanzel und stellte das Mikrofon an. Marcel seufzte und sehnte sich nach den Kirchen, wie sie vor einhundert Jahren oder noch längerer Zeit gewesen waren. Als der Priester sich anschickte, darüber zu sprechen, wie sie, ganz normale Menschen, den Geist Christi in ihr tägliches Leben bringen konnten, ließ Marcel seinen Gedanken freien Lauf.
    Axelle, Claire und Sophie.
    Drei Frauen, zu denen er unerwarteterweise in Beziehung stand. Drei Frauen, von denen er bezweifelte, dass er in zweihundert Jahren mehr als ein Dutzend Mal mit ihnen gesprochen hatte. Axelle war noch immer selbstsüchtig und doppelzüngig, doch gleichzeitig auch unerwartet klug und großzügig. Claire hatte er schon abgeschrieben, als sie noch fünfzehn war und in dem Ruf stand, ein ziemlich lasterhaftes Weibsstück zu sein. Und bei Gott, seitdem war es mit ihr nur abwärts gegangen. Mit jeder neuen Epoche der Zivilisation schien sie neue

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