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Ein Blatt Liebe

Ein Blatt Liebe

Titel: Ein Blatt Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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voll Unruhe, Jeanne aufmerksam
betrachtend.
    »Der Anfall ist sehr heftig, Sie haben recht… . mein Gott, das
arme Kind!«
    Sein Begehren war tot, er fühlte nur noch
triebhaft den Wunsch, ihr dienstbar zu sein. Er hatte sich gesetzt
und befragte die Mutter über die Symptome, die dem Anfall
vorausgegangen waren.
    Da erwachte das Kind mit einem Seufzer. Jeanne klagte über
starkes Kopfweh. Die Schmerzen in Hals und Schultern waren so
heftig geworden, daß sie sich ohne zu stöhnen kaum rühren
konnte.
    Helene, die an der anderen Seite des Bettchens kniete, sprach
ihr Mut zu und lächelte, während ihr das Herz vor Jammer zu
springen drohte.
    »Ist da jemand, Mama?« Das Kind wandte sich suchend um und sah
den Arzt.
    »Es ist ein Freund, du kennst ihn.«
    Die Kranke musterte den Doktor nachdenklich und zögernd, dann
verklärte sich ihr Gesicht. »0 ja, ja, ich kenne ihn. Ich liebe ihn
sehr.«
    Und dann schmeichelnd:
    »Er muß mich gesund machen, der Herr Doktor, nicht wahr? Mama
soll wieder froh werden. Ich will auch alles trinken, was Sie
verordnen, ganz gewiß!«
    Der Doktor hatte wieder nach dem Puls gegriffen, während Helene
die andere Hand hielt. So schaute Jeanne mit einem leichten
nervösen Schütteln ihres Köpfchens die beiden aufmerksam an, als
hätte sie sie noch niemals gesehen. Dann fröstelte sie, und die
kleinen Hände krallten sich.
    »Geht nicht fort, nicht fort … Ich fürchte mich …
Helft mir, helft mir! Laßt nicht die vielen Leute zu mir
herein … Ich will bloß euch, bloß euch beide, ganz nahe …
Ganz nahe zu mir her, ihr alle beide … zusammen.«
    Jeanne zog sie krampfhaft an sich und murmelte: »Zusammen,
zusammen … «
    Die Fieberkrämpfe wiederholten sich. In
lichten Augenblicken dämmerte Jeanne in einen trägen Schlummer
hinüber. Der Atem ging unhörbar, und sie lag wie tot. Wenn sie dann
wieder jäh auffuhr, lag es vor ihren Augen wie weißer Nebel. Sie
sah und hörte nichts mehr. Der Doktor hatte einen Teil der
Nachtwache übernommen. Es wurde eine sehr schlimme Nacht. Nur
einmal war er hinuntergegangen, sich selbst etwas zu trinken zu
holen. Als er gegen Morgen fortging, begleitete ihn Helene
angstvoll ins Vorzimmer.
    »Nun?«
    »Die Sache ist sehr ernst. Aber bitte, ängstigen Sie sich nicht.
Bauen Sie auf mich… Ich werde gegen zehn Uhr wiederkommen… «
    Helene fand das Kind im Bettchen sitzen. Es suchte mit irren
Blicken umher.
    »Ihr habt mich allein gelassen! Allein gelassen! Ich fürchte
mich, ich will nicht allein bleiben,« jammerte sie.
    Die Mutter suchte sie mit einem Kuß zu trösten, aber das Kind
wollte sich nicht beruhigen.
    »Wo ist er? Oh, sag ihm, daß er nicht fortgeht… Ich will, daß er
hierbleibt… ich will… «
    »Er wird ja wiederkommen, mein Engel,« sagte Helene weinend. »Er
wird uns nicht verlassen, das verspreche ich dir. Er liebt uns
beide zu sehr… Komm, sei lieb und leg dich wieder. Ich bleibe bei
dir und warte, bis er wiederkommt.«
    »Wirklich? Wirklich?« flüsterte das Kind, schon wieder in tiefen
Schlummer sinkend.
    Es folgten schreckliche Tage, drei angstvolle, fürchterliche
Wochen. Das Fieber setzte nicht eine Stunde aus. Jeanne hatte nur
ein wenig Ruhe, wenn der Arzt da war und
sie seine und der Mutter Hand in den ihren fühlte. Die Krankheit
hatte Sinne und Empfindungen des Kindes geschärft. Jeanne fühlte,
daß nur noch ein Wunder seiner Liebe sie retten konnte. Durch viele
Stunden schaute sie mit ernsten, nachdenklichen Augen auf das an
ihrem Bette sitzende Paar. Alles menschliche Leiden trat in diesen
Blick der Todkranken. Sie sprach nicht, sagte alles nur mit dem
warmen Druck ihrer Hände. Es war die flehentliche Bitte, sie nicht
allein zu lassen. Wenn der Arzt nach kurzer Abwesenheit wieder
hereinkam, geriet sie in helles Entzücken. Ihre Augen, die den
Blick nicht von der Tür gelassen hatten, füllten sich mit Freude.
Dann schlief sie ruhig ein und konnte hören, wie der Arzt und die
Mutter sich um sie zu schaffen machten und leise flüsterten.
    Am Morgen nach dem Anfall hatte sich Doktor Bodin eingestellt.
Jeanne hatte nur schmollend den Kopf gewendet und auf die Fragen
des alten Hausarztes jede Auskunft verweigert.
    »Ihn nicht, Mama! Nicht ihn, ich bitte dich,« sagte sie
leise.
    Als Doktor Bodin am andern Tage wiederkam, mußte ihm Helene vom
Widerwillen des Kindes sprechen. So trat denn der alte Arzt nicht
mehr ans Krankenbett selbst, sondern erkundigte sich täglich einmal
und besprach sich zuweilen mit

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