Ein Braeutigam und zwei Braeute
Vereinbarung.«
»Sie will sich nicht scheiden lassen.«
»Drücken Sie ihr den Scheidebrief in die Hand. Sie dürfen nicht eine Minute mehr mit ihr zusammensein.«
»Selbst wenn sie ihn nur küßt?«
»Ja. Ein Ding zieht das andere nach sich. Selbst wenn eine Frau sich bloß herumtreibt, kann man sich von ihr scheiden lassen. Die Gemara nennt eine solche Person Dirne. Eine jüdische Tochter treibt sich nicht herum und läßt sich nicht mit fremden Männern ein. Weh uns, entsetzlich!«
»Rabbi, wir haben Kinder. Zwei brave Mädchen.«
»Nehmen Sie ihr die Kinder weg. Bei einer solchen Mutter werden sie sonst, Gott bewahre, später einmal ebenso sittenlos. Warum haben Sie ihr nicht früher die Meinung gesagt?« fragte Vater empört.
»Ich habe immer geglaubt, sie werde zur Vernunft kommen. Es fällt einem schließlich nicht leicht, sein Heim zu zerstören.«
»In diesen Dingen gibt es kein ›Zur-VernunftKommen‹«, sagte Vater. »Freilich kann man jede Tat bereuen, aber wenn eine verheiratete Frau Umgang hat mit einem fremden Mann, wird sie besudelt. Wer ist er, dieser Sünder in Israel? Wieso haben Sie ihn überhaupt in Ihr Haus gelassen?«
»Rabbi, er ist ein Mensch, kein wildes Tier. Wir haben uns kennengelernt, haben uns angefreundet, meine Frau hat ihn zu uns eingeladen. Er kommt, er redet, wir trinken einen Schnaps zusammen. Wir spielen Karten. Er besitzt offene Güterwagen und hat Leute, die für ihn arbeiten. Ich bin in einem seltsamen Gewerbe tätig, Rabbi. Ich verdiene unseren Lebensunterhalt, aber es reicht kaum. Die Männer, die die Toten bestatten, werden gut bezahlt. Ich schaufle das Grab, und sie kriegen das Geld. Normalerweise kommt der Mann nach Hause, erzählt seiner Frau, was er tagsüber getan hat und wie es gelaufen ist. Was kann ich ihr erzählen? Sobald ich ins Haus komme, ruft sie: ›Wasch dir die Hände!‹ Dabei sind meine Hände sauber! Meine Kinder schämen sich für die Art und Weise, wie ich das Geld verdiene. Was soll ich machen? Immerhin habe ich damit doch ein sicheres Auskommen. Und dann sitzen wir zusammen und sind ein bißchen lustig miteinander.«
»Was heißt das, ›zusammen‹, ›miteinander‹?«
»Ich, sie und er.«
»Nun, dann haben Sie es sich selbst zuzuschreiben.«
»Man kann nicht immer allein sein.«
»Haben Sie keine Angehörigen?«
»Doch, aber ich kann mit ihnen nicht reden.«
»Wieso nicht? Gehen Sie in die Synagoge?«
»Manchmal am Sabbat.«
»Ein Jude muß dreimal täglich beten! Wenn Sie in die Synagoge oder ins Lehrhaus gehen, sind Sie schon unter Menschen. Eine Frau hat Nachbarinnen. Wie leben alle Juden? Die Gemara sagt, wenn einer in eine Gerberei geht, bleibt der beißende Gestank an ihm hängen. Und wenn Sie einen Wüstling in Ihr Haus aufnehmen und Sie und Ihre Frau mit ihm Karten spielen, kann das nur in die Sünde führen.«
»Rabbi, ich bin kein Fanatiker.«
»Ich weiß nicht, wovon Sie reden.«
»Wir leben heutzutage, wie man so sagt, nicht wie vor hundert Jahren.«
»Der Herr der Welt ist derselbe, der Er vor hundert und vor tausend Jahren gewesen ist, und die Tora ist auch dieselbe. So benehmen sich Gojim, keine Juden. Eine jüdische Tochter muß tugendhaft sein.«
»Was soll ich denn tun, Rabbi?«
»Sie haben also tatsächlich gesehen, wie sie – wie haben Sie es formuliert? – ihn geküßt hat?«
»Ja, Rabbi, nicht ein-, sondern hundertmal.«
»Und wenn sie sich schon vor Ihnen so scham
los aufführt, was tut sie dann Ihrer Ansicht nach später?«
»Rabbi, das ist ein offenes Geheimnis.«
»Lassen Sie sich scheiden! Lassen Sie sich scheiden! Nicht eine Minute länger dürfen Sie mit ihr zusammenbleiben. Und sie darf auch nicht jenen anderen heiraten. Das ist das Gesetz!«
»Rabbi, er hat eine Ehefrau.«
»Wirklich? … Ja, aber …«
»Sie würde mir die Kinder nicht geben.«
»Zuallererst müssen Sie selbst sie loswerden. Jede Minute, die Sie weiterhin mit ihr leben, ist Sünde. Geben Sie ihr Gelegenheit, sich zu bedenken und alles zu bereuen. Solche Dinge widerfahren Juden nicht, die auf dem rechten Pfad bleiben. All das kommt vom modernen Benehmen. Ein Jude muß einen Bart und Schläfenlokken haben, er muß in die Synagoge gehen und beten, ein Kapitel Mischna studieren oder was immer er kann. Eine jüdische Ehefrau muß sich den Kopf scheren und die Gesetze häuslicher Reinheit und
Weitere Kostenlose Bücher