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Ein Braeutigam und zwei Braeute

Ein Braeutigam und zwei Braeute

Titel: Ein Braeutigam und zwei Braeute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isaac Bashevis Singer
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Geschenk in der Hand; allerlei Päckchen mit bunten Bändern, die an kleinen Holzgriffen hingen.
      Mutter kam in Vaters Arbeitszimmer und sagte: »So etwas ist unerhört, auch unter ehrbaren Gojim … eine Ehebrecherin!«
      »Ich will nichts davon hören! Schluß!« erwiderte Vater.
      »Wenn ich sie ansehe, ist es jedesmal wie ein Schlag ins Gesicht!«
      »Dann sieh nicht hin! Was gibt's da zu sehen?«
      »Vielleicht solltest du sie hierher vor Gericht laden.«
      Vater seufzte. Erstens wußte er, was immer er sagte, es würde nichts nützen; zweitens wollte er die Stimme einer solchen Buhlerin nicht hören. »Sie würde die Wohnung besudeln«, wandte er ein.
      »Man muß den Menschen warnen, bevor man ihm Strafe auferlegt!« antwortete meine Mutter mit einem Talmudzitat.
      Mein Vater legte sein Taschentuch auf den Talmud, den er studierte. »Wer könnte sie vorladen?«
      »Mama, ich gehe.«
      Vater warf mir einen zornigen Blick zu. »Ich will nicht, daß du mit solchen Leuten irgend etwas zu tun hast.«
      Aber wer hätte sonst gehen sollen? Einem Fremden würde die Frau sicher keinerlei Beachtung schenken. Ich hörte Mutter zu Vater sagen: »Was weiß er denn? Er hat doch keine Ahnung …«
      »Nun ja, also gut.«
      Sie wiesen mich an, die Frau vorzuladen, und ich zog sofort los. Ich fürchtete mich ein bißchen vor dem Hund, aber meine Neugier, die verlotterte Wohnung zu sehen, war größer als meine Angst. Kaum hatte ich an die Tür geklopft, hörte ich den Hund bellen. Dann erblickte ich die Hausherrin. Sie trug einen spitzenbesetzten Morgenrock, der nicht zugeknöpft war, und ebenso spitzenverzierte bauschige Unterhosen. Auch ihr Busen war zu sehen. Sie stand dicht vor mir, der geballte böse Trieb, Rahab die Hure, eine biblische Dirne, ein halbnacktes Stück Abschaum. Unkoschere Gerüche aller Art gingen von ihr aus. Die ganze Frau war die personifizierte Verdorbenheit. Meine Nase war so schrecklichen Gerüchen ausgesetzt, daß es mir die Sprache verschlug.
      »Papa lädt Sie vor!« brachte ich mit Mühe heraus.
      »Und wer ist dein Papa?«
      »Der Rabbi.«
      »Wozu braucht er mich?«
      Und sie begann zu lachen und entblößte dabei ihr breites Gebiß. Da und dort blinkte es golden. Ihr Liebhaber kam hinzu, er trug keine Jacke, sondern hatte eine goldfarbene, gepunktete Weste an. Der Papagei fing an zu krächzen. Der Hund bellte wieder los.
      »Was will der Bengel?« fragte der Mann.
      »Ich bin zum Rabbi vorgeladen.«
      »Sag seinem Vater, er soll dich in Ruhe lassen und Leine ziehen.« Der Mann schlug mir die Tür vor der Nase zu.
      Ich ging, im Innersten getroffen. Ich erzählte meinen Eltern, was ich gesehen hatte. Vater sagte auf aramäisch: »Wenn er diese Frechheit hat, ist er eindeutig ein Bastard.« Mit diesem Zitat aus der Gemara nahm er auf seine Weise an der Buhlerin Rache.
      Doch immerhin, eine halbe Stunde danach kam die Nachbarin in unsere Wohnung. Vater begann, ihr Vorhaltungen zu machen, aber die Frau stritt alles ab.
      »Hören Sie nicht auf die Leute«, sagte sie. »Das sind alles bloß Klatschbasen, die sich das Maul zerreißen. Sollen sie doch tuscheln und rumtratschen. Sollen sie doch Gift und Galle spucken. Klar, jetzt, wo mein Mann im Knast sitzt, hab' ich ja gar nichts Besseres zu tun, als mir einen anderen anzulachen! … Mögen ihre Gebeine verdorren! Feuer in ihr Gedärm!«
      »Man soll nicht fluchen.«
      »Rabbi, es ist die Wahrheit.«
      »Man soll nicht fluchen, selbst wenn es die Wahrheit ist.«
      »Rabbi, ich bin eine anständige Ehefrau. Es ist alles gelogen. Da ist kein Fünkchen Wahrheit drin. Er ist ein guter Freund von meinem Mann, also kommt er zu mir, weil er wissen will, ob's was Neues gibt. Was soll ich tun? Ihn rauswerfen?«
      »Gott bewahre.«
      »Was dann?«
      »Es steht geschrieben, daß man anderen Menschen keinen Anlaß geben soll, einen zu verdächtigen.«
      »Ist das meine Schuld, daß die Leute Stielaugen haben? Sollen ihre Augen blind werden, lieber guter Himmelsvater!«
      Vater glaubte ihr anscheinend, denn er fuhr fort: »Warum halten Sie einen Hund? Das ist nicht jüdische Art.«
      »Rabbi, die Straße ist voller Diebe. Ohne den Hund wär' ich im Armenhaus.«
      Du faselst hier vielleicht was zusammen, dachte ich. Erzähl nur weiter solchen Blödsinn! Ein Blick von dir, und man ist seinen Geldbeutel los. Aber Vater wurde zusehends milder gestimmt. Er sagte:

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