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Ein Braeutigam und zwei Braeute

Ein Braeutigam und zwei Braeute

Titel: Ein Braeutigam und zwei Braeute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isaac Bashevis Singer
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waren, griff Reb Nachman sich an den Bart und sagte: »Was für ein Leben für Juden! Es ist höchste Zeit, daß der Messias kommt, das schwöre ich.«
      Sie wollten mir noch eine Kleinigkeit aufnötigen und luden mich ein, zum Essen zu bleiben, aber ich wollte aus dieser Wohnung weg. Was hier geschehen war, hatte mich nicht nur erschreckt, sondern auch tief verstört. Ich hatte schon jede Menge Klagen von meinem Bruder gehört, daß die Juden Kleinkrämer, Makler, Nichtstuer und Luftmenschen seien. Es gab mehr Krämer als Kunden. Schwiegerväter gewährten ihren Schwiegersöhnen jahrelang freie Kost, hatten aber selber nichts zu beißen. Mein Bruder sprach vom Land Israel, wo Juden neuerdings das Land bebauten und normale Menschen wurden. Er gab auch zu verstehen, daß diejenigen, die hart arbeiteten, am Sabbat nichts zu essen hatten, während die Müßiggänger steinreich waren. Er hatte mit Mutter über die Siebmacher in Bilgoraj geredet, die die ganze Woche in den Werkstätten schufteten und am Freitag von Tür zu Tür gingen und bettelten.
      »Warum streiken sie nicht?« fragte mein Bruder. »Die Besitzer müßten nachgeben.«
      Auch Mutter hatte angefangen, sonderbare Dinge zu sagen, seit sie aus Berlin zurück war, wo die Hochzeit meiner Schwester stattgefunden hatte.
      »In Deutschland sind die Menschen frei«, sagte Mutter. »Die Polizisten sind freundlich zu den Leuten und sagen ›Bitte‹ und ›Entschuldigung‹ … An der Grenze haben sie unsere Koffer nicht durchwühlt, und zu Vater haben sie ›Herr Rabbiner‹ gesagt …«
      Alle diese Worte wirbelten in meinem Kopf und bildeten einen Knäuel. Ich durchstreifte die Straßen, und etwas in mir brodelte und kochte. Die Reden meines Bruders hatten ein Gefühl in mir geweckt, das sich mit meinen eigenen Gedanken vermengte. Nein, dies war kein Leben. Das Leben hier war eine einzige Schmach, nur noch abscheulich!
      Zum erstenmal betrachtete ich die Warschauer Juden mit neuen Augen. Ich sah winzige Läden, abgerissene Männer, dreckige, zerlumpte Kinder, struppige Frauen. Aus den Lehr- und Bethäusern erklang die Stimme der Tora, aber umgeben war all das von Polen, Bauern und ungezählten Gojim, die die Juden haßten und sie für Schnorrer, Bettler und Schmarotzer hielten. Die Juden hatten nur einen Beschützer: Gott im Himmel. Was aber, wenn, Gott bewahre, die Ketzer recht hatten?

Der gefälschte Wechsel

    Diese Geschichte muß erzählt werden. Sie ist ein Zeugnis menschlicher Unschuld und menschlicher Bosheit.
      Eines Tages wurde uns ein russisches Schriftstück zugestellt. Nicht der Briefträger brachte es, sondern ein Gerichtsdiener. Da mein Vater Russisch nicht lesen konnte, holten wir einen Nachbarn, der in der Armee gewesen war. Der Mann las, zuckte die Schultern und erklärte meinem Vater, er sei aufgefordert, sechshundert Rubel für einen Wechsel zu zahlen, den er indossiert hatte. Mein Vater fiel aus allen Wolken. Nie in seinem ganzen Leben hatte er einen Wechsel unterschrieben, geschweige denn einen indossiert.
      »Es muß ein Irrtum sein!« sagte er.
      Aber offenbar war es kein Irrtum. Der Wechsel trug die richtigen Vornamen meines Vaters: Pinchas Menachem Mendel und ebenso seinen Nachnamen und die richtige Anschrift. Das Schriftstück forderte meinen Vater auf, sofort zu zahlen, und warnte ihn, andernfalls werde seine Habe gepfändet und zwangsversteigert.
      Kurz, es stellte sich heraus, daß jemand die Unterschrift meines Vaters gefälscht hatte. Meinen Vater ergriff der Schrecken. Er hatte eine typisch jüdische gelehrtenhafte Abneigung gegen alles, was mit Polizei, Gerichten, Gojim und deren gesamtem Rechtswesen zu tun hatte. Der bloße Anblick eines Säbels oder der Epauletten und Goldknöpfe einer Uniform ängstigte ihn. Aus seiner Lektüre wußte er, daß die Herren dieser Welt allesamt böse waren, keine Gerechtigkeit kannten und immer auf Seiten der Starken und Falschen standen. Wehe jenen, die irgend etwas mit den Polizeibehörden zu schaffen hatten! Niemand entkam ihren Händen unversehrt.
      Mutter und wir Kinder versuchten Vater zu trösten. Zum einen war dies kein Strafverfahren. Zweitens lasse sich die Sache vor Gericht leicht beweisen. Man könne Sachverständige hinzuziehen. Aber allein diese Worte – Strafverfahren, Gericht, Sachverständige! – breiteten ein Sargtuch der Furcht über Vater. Alles, was er wollte, war beten, studieren und sich in Jüdischkeit versenken – und nun mußte er sich

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