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Ein Braeutigam und zwei Braeute

Ein Braeutigam und zwei Braeute

Titel: Ein Braeutigam und zwei Braeute Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isaac Bashevis Singer
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sie nur an. Ich war sehr erschrocken und begann zu zittern.
      »Kann ich nach Hause gehen?« fragte ich Reb Nachman.
      Er sah mich verwirrt an. »Wenn sie dich lassen.«
      Ich bewegte mich auf die Tür zu, aber ein Polizist hielt mich auf. »Wo willst du hin?«
      Entweder wußte ich nichts von Reb Nachmans Geschäften oder ahnte nicht, daß er mit verbotener Ware handelte. Ich stand da und zitterte am ganzen Leib. Vor nicht allzu langer Zeit hatten mein Freund Boruch Dowid und ich das War schauer Gefängnis gesehen, seine gelben Mauern, die maschendrahtbespannten Fenster mit den Eisenstäben, hinter denen bleichgesichtige Häftlinge standen, und das schwarze Tor, durch das die Gefangenen in Polizeifahrzeugen gebracht wurden.
      Ich war sicher, mein letztes Stündlein sei gekommen und man werde mich ins Gefängnis stecken. In dessen dicken Mauern würde ich zusammen mit Reb Nachman und dessen Familie verschmachten, und niemand käme, um mich zu retten. Aber womit hatte ich das verdient? Und was wollten sie von Reb Nachman und seinen kleinen Töchtern? War er Opfer einer falschen Anschuldigung? Hatte man einen Ukas gegen ihn erlassen?
      Mir fiel die Geschichte von Rabbi Akiba ein, der mit Eisenkämmen gefoltert worden war und der seine Seele mit dem Gebet »Höre Israel« ausgehaucht hatte. Würde ich ähnlich enden? War die Zeit Chmielnickis wiedergekommen oder die der Zerstörung des heiligen Tempels?
      Oh, könnte ich doch nur aus dem Fenster springen! Oh, wüchsen mir doch auf einmal Adlerschwingen, mit denen ich davonfliegen könnte! Oh, würde ich doch so stark wie der mächtige Samson, könnte einen Kieferknochen ergreifen und auf diese Philister einschlagen! Oder hätte ich doch eine Tarnkappe, so daß ich aus der Tür gehen könnte und sie nur noch einen leeren Fleck sähen.
      Ich war noch nie verhaftet worden, doch mich überkam ein so starkes Verlangen, frei zu sein, daß ich dachte: An was hat es mir bis jetzt gefehlt? Um was habe ich mir bis jetzt Sorgen gemacht, wenn ich doch frei durch die Straßen laufen konnte? Der Sommertag, die Straßen von Warschau, unser Zuhause waren mir auf einmal lieb und teuer. Ich blickte furchtsam auf die Säbel, die Epauletten, die Trillerpfeifen und Orden. Ein Gedanke durchzuckte mich: Wenn es einen Gott gab, warum schwieg Er? Wie konnte Er so bösen Menschen gestatten, Juden zu quälen?
      Nach kurzer Unterredung fingen die Polizisten an, die Wohnung zu durchsuchen. Einer blieb an der Tür stehen. Zuerst fanden sie nichts; dann zogen sie auf einmal irgendwo Schachteln mit Zigaretten und Zigarettenpapier, Tabak und wohl auch noch andere Ware hervor, die in Packpapier und Seidenpapier aller Art eingewickelt war. Und als wäre das noch nicht genug, kam der Zivilist mit einem Brecheisen an, und sie begannen, die Dielenbretter aufzuhebeln. Sie hatten die richtige Stelle erwischt und fanden unter dem Boden weitere Schachteln und in Papier eingeschlagene Ware.
      »Jemand hat uns denunziert!« stieß Reb Nachman aus.
      »Ruhe! Keine Unterhaltung!« befahl ein Polizist.
      Die Hausdurchsuchung dauerte etwa drei Stunden. Der Schweiß strömte mir aus allen Poren,
    und ich zerfloß fast. Der Schweiß rann mir den Rücken hinunter, über den Bauch, über den ganzen Körper. Mein Hemd war klitschnaß. Selbst die Polizisten bemerkten es und machten sich darüber lustig. Einer von ihnen griff nach einer meiner Schläfenlocken, aber seine Hand wurde naß. Ich fühlte mich von Furcht überwältigt. Ich fühlte alles in mir zergehen; bald, meinte ich, wäre nichts mehr von mir übrig.
      Reb Nachmans Töchter schauten mich an, und obwohl die Familie in Schwierigkeiten war, lächelten sie. Nach einer Weile schien mein Schweiß versiegt zu sein. Aber ich zitterte und bebte immer noch vor Furcht und Scham und war unfähig, mich von der Stelle zu rühren. Diese Gojim mit ihren Säbeln, Revolvern, russischen Palavern und bäurischen Scherzen weckten einen Haß in mir, wie ich ihn noch nie zuvor gegen jemanden verspürt hatte. Ich stand den Bösen von Angesicht zu Angesicht gegenüber.
      Ich weiß nicht mehr, wie die Sache ausging, aber als Reb Nachmans Sohn schließlich kam, nahm er einige der Beamten zu einer vertraulichen Unterredung in ein Schlafzimmer mit und einigte sich mit ihnen geschäftlich. Meine ganze Angst war umsonst gewesen. Weder er noch ein anderes Mitglied des Hauses wurden ins Gefängnis verschleppt.
      Nachdem die Polizisten gegangen

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