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Ein diskreter Held

Ein diskreter Held

Titel: Ein diskreter Held Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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dank Ihnen, Sergeant. Vielen Dank, vielen Dank Ihnen beiden.«
    Vor Rührung waren seine Augen feucht. Mabel duschtenoch, gleich käme sie. Er bat sie, im Wohnzimmer Platz zu nehmen, unter dem Bild mit dem Herzen Jesu, vor dem kleinen Tisch mit Pappflämmchen und peruanischer Fahne. Der Ventilator quietschte in einem beständigen Rhythmus und schaukelte die Plastikblumen. Auf die Fragen des Offiziers antwortete Felícito mit fröhlicher Mitteilsamkeit: Ja, ja, es ging ihr gut, es war ein Riesenschreck gewesen, natürlich, aber zum Glück hatte man sie weder geschlagen noch schikaniert, Gott sei Dank. Die ganzen Tage hatten sie ihr die Augen verbunden und die Hände gefesselt, was für herzlose Biester. Mabel selbst würde ihnen die Einzelheiten schildern, jetzt gleich, sobald sie herauskam. Und immer wieder hob Felícito die Hände zum Himmel: »Wenn ihr etwas passiert wäre, ich hätte es mir nie verziehen. Die Ärmste! All diese Qualen, und nur wegen mir. Ich bin nie sehr fromm gewesen, aber ich habe Gott versprochen, ab jetzt gehe ich jeden Sonntag zur Messe.« Der ist ja bis über beide Ohren verliebt, dachte Lituma. Sicher würde er sie superlecker vernaschen. Und dabei musste er an seine eigene Einsamkeit denken, die lange Zeit ohne Frau. Er beneidete Don Felícito und war wütend auf sich selbst.
    Schließlich kam Mabel, in einem geblümten Morgenrock, in Sandalen und mit einem Handtuch als Turban um den Kopf gewickelt, und begrüßte sie. So, ohne Schminke, etwas blass, noch von den Strapazen gezeichnet, fand Lituma sie weniger attraktiv als an dem Tag, als sie auf dem Revier ihre Aussage machte. Aber ihm gefiel, wie ihr Stupsnäschen bebte, ihre schlanken Fesseln, die Wölbung ihrer Fußrücken. Die Beine waren heller als die Arme und die Hände.
    »Es tut mir leid, dass ich Ihnen nichts anbieten kann«, sagte sie und bedeutete ihnen, sich wieder zu setzen. Und wie zum Scherz: »Sie können sich vorstellen, dass ich in den letzten Tagen nicht zum Einkaufen gekommen bin, im Kühlschrank habe ich nicht mal eine Coca-Cola.«
    »Uns tut es sehr leid, was Ihnen passiert ist.« Hauptmann Silva verneigte sich in aller Form. »Herr Yanaqué sagte uns, man habe sie nicht misshandelt. Richtig?«
    Mabel zog ein merkwürdiges Gesicht, halb Lächeln, halb Flunsch.
    »Na ja, wie man’s nimmt. Sie haben mich weder geschlagen noch vergewaltigt, zum Glück. Aber ich würde nicht sagen, dass sie mich nicht misshandelt hätten. Nie im Leben habe ich eine solche Angst gehabt, Señor. Nie habe ich so viele Nächte auf dem Boden geschlafen, ohne Matratze und ohne Kopfkissen. Noch dazu mit verbundenen Augen und gefesselten Händen und allem Zeug am Leib. Die Knochen werden mir für immer wehtun. Ist das keine Misshandlung? Aber zumindest lebe ich noch.«
    Ihre Stimme zitterte, und immer wieder schien auf dem Grund ihrer schwarzen Augen ein tiefes Entsetzen auf, das sie zu beherrschen versuchte. Diese verfluchten Drecksäcke, dachte Lituma. Was Mabel geschehen war, machte ihn traurig und wütend. Dafür werden sie bezahlen, verdammt noch mal.
    »Wir bedauern wirklich sehr, Sie jetzt auch noch zu belästigen, Sie wollen sicher ausruhen«, entschuldigte sich Hauptmann Silva und drehte seine Mütze zwischen den Fingern. »Aber ich hoffe, Sie verstehen uns. Wir dürfen keine Zeit verlieren, Señora. Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn wir Ihnen ein paar klitzekleine Fragen stellen? Es ist unumgänglich, bevor diese Typen sich verflüchtigen.«
    »Natürlich, klar, das verstehe ich.« Mabel machte gute Miene, ohne ihre Verärgerung ganz zu verbergen. »Fragen Sie nur, Señor.«
    Lituma war beeindruckt von Felícito Yanaqués Liebesbeweisen gegenüber seinem kleinen Weib. Er strich ihr sanft übers Gesicht, als wäre sie sein Schoßhündchen, schob die über der Stirn herausstippenden Haare unter das Turbanhandtuch, verscheuchte die Schmeißfliegen, die auf sie zuflogen. Dabei schaute er sie zärtlich an und wandte nicht den Blick von ihr. Eine Hand hielt er nun zwischen den seinen.
    »Haben Sie ihre Gesichter sehen können?«, fragte der Hauptmann. »Würden Sie sie wiedererkennen?«
    »Ich glaube nicht.« Mabel schüttelte den Kopf, aber sieschien sich nicht ganz sicher zu sein. »Nur einen von ihnen habe ich gesehen, und nicht mal richtig. Der neben dem Baum stand, der so flammendrot blüht, ich kam an dem Abend gerade nach Hause. Ich habe kaum auf ihn geachtet. Er stand leicht abgewandt, scheint mir, im Dunkeln. Und als er sich

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