Ein Elefant im Mückenland
wir uns einen Spürhund, der wird ja wohl in der Lage sein, einen Elefanten zu finden.«
»Ich pfeife auf den Elefanten, Hauptsache, meine Alte kommt zurück«, jammerte Oskari Länsiö. Er hatte sich nicht rasiert und auch kein Frühstück bekommen.
Pekka Laakso, Mitglied der Jagdgesellschaft von Pori, erinnerte sich, dass sein Freund, der Schuhhändler Jaakkola, einen karelischen Bärenhund mit ausgezeich-neter Witterung besaß. Sie riefen den Mann an, und als der hörte, worum es ging, erschien er innerhalb kürzes-ter Zeit mit seinem Kombi auf Länsiös Hof. Eine so seltene Gelegenheit bekommt ein gewöhnlicher Jäger so gut wie nie im Leben, jedenfalls nicht in Finnland, und heutzutage sicher nicht mal mehr in Afrika. Dort waren die Elefanten vermutlich schon längst unter Schutz gestellt, und nur Wilderer erlegten sie wegen des Elfen-beins.
Der muntere, schwarze Bärenhund Jekke, den Jaakkola an der Leine führte, war zu allem bereit. Oskari Länsiö zeigte auf die Spuren des Elefanten und der Frauen in dem schmalen Weg zwischen Kuh- und Hühnerstall. Er hatte Lucias und Emilias Aufbruch und später auch die Flucht seiner Frau beobachtet. Der Hund nahm sofort Witterung auf und führte die Such-patrouille unbeirrt zum Feld und von dort in den Wald, genau auf jenen Weg, den der Elefant und die beiden Frauen nachts gegangen waren.
Nach zweistündiger schweißtreibender Verfolgung ge-langten die Männer in einen dichten Birkenwald, wo sie die Frauen und auch den Elefanten entdeckten. Das Fell des Bärenhundes sträubte sich, aber anstatt mit wüten-
dem Gebell zu der gesuchten Beute zu rennen, zog er den Schwanz ein, jaulte, versuchte sich loszureißen und umzukehren. Sein Herrchen band das winselnde Tier an eine Birke und ging mit den anderen Männern zu den
Gesuchten.
Schweigend und ängstlich betraten die vier Männer Lucias Lager. Man begrüßte sich per Handschlag und plauderte zunächst ein wenig über das Wetter. Es war ein recht schöner Tag. Produktchef Rauno Ruuhinen kam dann zur Sache und erzählte, dass nun auf Länsiös Hof ein passender Tieflader stehe, mit dem man den Elefanten mühelos zum Schlachthof schaffen könne. Das Tier bekäme weder Verletzungen noch blaue Fle-cken, es sei reichlich Platz vorhanden und der Transport völlig sicher.
Abseits von den anderen versuchte Oskari Länsiö sei-ne Frau zur Rückkehr zu bewegen, flüsternd versprach er ihr das Blaue vom Himmel herunter, er werde fortan ein anständiger Mensch und liebender Ehemann sein und so weiter.
Rauno Ruuhinen versprach für den Elefanten einen guten Preis, zweimal mehr als für ein Pferd, und das war nicht wenig.
»Bar auf die Hand, gute Frau.«
Lucia willigte nicht in den Handel ein, um keinen Preis. Außerdem sei sie nicht mit Frau anzureden, sie sei unverheiratet. Oder vielmehr war sie ja Igor anget-raut, aber das ging in Finnland niemanden etwas an.
»Aber wir haben uns extra den Tieflader geholt, der kostet uns einen Haufen Geld.«
Emilia stand hinter einer Birke und beobachtete die Männer aufmerksam. Irgendwie begriff sie, dass es sich hier nicht um wohlwollendes Zirkuspublikum handelte. Sie näherte sich mit wehenden Ohren und vorgereckten Stoßzähnen. Die Männer verzogen sich, der angeleinte
Bärenhund winselte. Ruuhinen rief Lucia im Gehen zu: »Ich schicke eine Rechnung, wie war noch gleich Ihre
Adresse?«
»Ich habe keine Adresse, und ich habe den Tieflader nicht bestellt.«
»Falls Sie es sich anders überlegen, rufen Sie mich an, wir kommen gern und schlachten Ihren Elefanten.«
Laila hatte eingewilligt, mit den Männern zurückzu-kehren. Im nächsten Dorf bestellten sie sich alle zu-sammen ein Taxi und fuhren damit zu Länsiös Hof. Dort angekommen, schnappte sich der Bärenhund ein ga-ckerndes Huhn und riss es an Ort und Stelle. Der Schuhhändler versprach, den Schaden zu ersetzen, aber man kam überein, es dabei zu belassen, hatte der Mann doch den ganzen Tag bei der Elefantenjagd zugebracht, und das mitten in der besten Schuhsaison. Der Tieflader donnerte vom Hof und fuhr wieder nach Olkiluoto.
In seinem Büro in der Fleischfabrik angekommen, zerriss Ruuhinen das Rezept für die Elefantenwurst und widmete sich stattdessen dem der Satakunta-Weih-nachtswurst. Auf dem Hof der Länsiös kehrte wieder der Alltag ein. Der Bauer fütterte die Hühner, die Kühe und den Bullen, saugte anschließend Staub im Wohnzimmer und in der Kammer, in der Lucia Lucander den ganzen Sommer über gewohnt hatte.
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