Ein Elefant im Mückenland
Geld. Er fand, dass der Elefant ein Zuhause brauch-te. Vielleicht könnte er, Taisto, dann später Lucia Lu-cander näher kennen lernen. Ojanperä war Witwer und näherte sich den mittleren Jahren. Seine Frau war vor fünf Jahren bei einem Autounfall ums Leben gekom-men. Oft entrang sich abends und in den einsamen Nächten ein Seufzer männlicher Sehnsucht seiner Brust.
Die schwere Krise in den 1990er Jahren hatte auch in Satakunta viele kleine und mittlere Betriebe in den Konkurs getrieben. Einer davon war die Glasfabrik von Nakkila, die bereits im Jahre 1896 gegründet worden war. Sie hatte, mit Ausnahme der Kriegszeit, fast hun-dert Jahre lang kontinuierlich produziert. Die Firma hatte für die Häuser der näheren Umgebung und die Stadt Pori Millionen von Fensterscheiben und verschie-denen Glasgegenständen hergestellt. Die erfolgreichste Produktgruppe war im neunzehnten Jahrhundert ein schönes Glasservice gewesen, das nicht nur im Inland Absatz gefunden hatte, sondern auch in Länder wie Russland, Schweden, Deutschland und Holland verkauft worden war. Als kleine Spezialität hatte die Fabrik ein zierliches Nachtgeschirr hergestellt, das der Hof von Zar Nikolaus II. in St. Petersburg in Auftrag gegeben hatte, laut Überlieferung gleich zweihundert Stück auf einmal.
Von Ojanperäs Laden waren es nur zwanzig Kilometer bis zur alten Glasfabrik. Er kannte das Gebäude schon aus seiner Kindheit, es bestand aus roten Ziegeln und war, für eine Fabrik, eigentlich recht schön, die Fassade
war elegant verziert. Als kleiner Junge hatte Taisto einmal den Glasbläsern bei ihrer Arbeit zusehen dürfen. Es war furchtbar heiß gewesen, in Steinbottichen hatte die flüssige Glasmasse gedampft, die Männer hatten sie mit langen Rohren herausgeschöpft und in die richtige Form geblasen.
Ojanperä fuhr zu dem stillen Gelände. Die Tore waren geschlossen, das Gebäude war kleiner, als er es in Erin-nerung hatte, aber auf jeden Fall würden selbst fünf Elefanten bequem hineinpassen.
Am nächsten Tag versuchte Ojanperä den gegenwärti-gen Besitzer der Glasfabrik zu erreichen. Nach vielen Versuchen ermittelte er den Insolvenzverwalter, der ihm mitteilte, dass die Fabrik derzeit einer Immobilienfirma in Turku gehöre. Als er dort anrief, sagte man ihm, dass man keine vernünftige Nutzung für die Fabrik gefunden habe. Der Maschinenbestand sei veraltet, die Produkti-onsräume eigneten sich kaum für andere Zwecke, eine Veränderung der Produktion würde zu große Renovie-rungskosten verursachen. Man habe die Fabrik Bild-hauern als Atelier angeboten, aber für die sei sie wieder zu groß, also habe man sie stillgelegt, und jetzt stehe sie leer. Als Ojanperä sich erbot, die Fabrik für den Winter zu mieten, gingen die Mitarbeiter der Immobilienfirma mit Freuden darauf ein. Die Miete war nominell, Haupt-sache, der Mieter sorgte dafür, dass dort über den Win-ter eine bestimmte Grundwärme gehalten wurde. Die Lagerbestände der Fabrik waren schon vor Zeiten ver-kauft und abtransportiert worden, aber die Öfen dürften in Ordnung sein, sie reichten vielleicht nicht mehr fürs Glasblasen, aber Wärme produzierten sie ganz be-stimmt. Ojanperä sagte, dass er die Räume als Lager benötige und versprach, für die Beheizung zu sorgen. Er holte die Schlüssel von der Immobilienfirma ab und schloss bei der Gelegenheit eine Feuerversicherung ab.
All diese Aktivitäten hatten etwa eine Woche in An-spruch genommen. Jetzt musste Taisto nur noch Lucia und ihren Elefanten finden. In welcher Ecke Satakuntas mochten die beiden wohl umherwandern? Zu schade, dass Lucia kein Mobiltelefon besaß, sonst hätte er ihr die Freudenbotschaft gleich direkt übermitteln können. Aber der Elefant war ein großes Tier, sodass es vermut-lich nicht allzu schwer war, die beiden aufzuspüren.
Am nächsten Sonntag fuhr Taisto Ojanperä erst ein-mal mit seinem Lieferwagen zur Glasfabrik, um sich alles genau anzusehen. Die Fabrik stand einen halben Kilometer von einem alten Bethaus entfernt an der Straße zum Dorf Kyllijoki. Das Gebäude entsprach in jeder Weise seinen Erwartungen. An einem Ende befand sich das Sandlager und daneben die Verpackungsabtei-lung, allem Anschein nach war dort auch Glaswolle aufbewahrt worden. Nach dem Sandlager folgte der Mischer für die Glasmasse und dann die Produktionsab-teilung. Die Halle war in zwei Abteilungen aufgeteilt, in beiden gab es Gebläse und die dazugehörenden Schmelzöfen. Ojanperä musterte die große Maschine,
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