Ein Elefant im Mückenland
robuste Universalmaschine machtlos. Der Fahrer bemerkte zwar, dass die Bärin auf der Ladeanlage herumdrosch, kümmerte sich aber nicht darum. In aller Ruhe zer-schnitt er den Stamm in fünf Meter lange Stücke und fuhr dann weiter zur nächsten Kiefer. In dieser Phase kletterten die verängstigten Jungen fiepend auf den Rücken ihrer Mutter und hielten sich mit Zähnen und Klauen an ihrem grauen Fell fest.
Die Bärenmutter ließ von der Maschine ab und flüch-tete in rasantem Tempo über den nächsten Waldweg, dabei kam sie an dem Elch vorbei, den sie sich vorhin zur Beute auserkoren hatte. Die Lebensaufgabe einer Bärenmutter ist nun mal, ihren Nachwuchs zu schüt-zen. Die erschrockenen Jungen hockten knurrend in ihrem dichten Rückenfell. Aber manchmal passiert es, dass einem, wenn man vor einer stählernen Ponsse flüchtet, ein Elefant entgegenkommt.
Da hatte die Bärin ein neues Problem. Sie schüttelte ihre Jungen von sich ab und stürzte sich Hals über Kopf auf den Elefanten, in dem sie einen Feind erkannt hatte. Aber wenn schon die Ponsse ein übermächtiger Gegner
gewesen war, so stand Emilia dieser in keiner Weise nach. Sie nahm die Königin der Wälder mit ihrem Rüssel in den Würgegriff und schleuderte sie in eben jenes Gebüsch, in dem der Elch stand, der das ganze Gesche-hen mit seinen großen Ohren verfolgt hatte und nun die Flucht ergriff. Der Bärenmutter blieb nichts anderes übrig, als ihre Brut einzusammeln und auf die nächste Kiefer zu klettern. Alle drei knurrten wütend zu Emilia hinunter, die, von dem Zwischenfall völlig unberührt, gemächlich auf dem einsamen Waldweg weitertrottete.
Lucia und Paavo hatten mit staunend aufgerissenen Augen beobachtet, wie rasch die Bärenfamilie in den Baum gelangt war. Lucia fand, dass die finnischen Bären schneller klettern konnten als die Moskauer Zirkusbären. Auch Paavo bestätigte, dass Kraft und körperliche Verfassung der Wildtiere eine Klasse besser waren als die der dressierten Zirkustiere.
Ohne noch weiter auf den Zwischenfall einzugehen, setzten sie ihren Weg fort. Sie passierten die gelbe Uni-versalmaschine, die der Fahrer gerade ausschaltete, um zur Mittsommerfeier zu gehen. Er wunderte sich ein wenig darüber, dass er im Abstand von wenigen Minu-ten drei Bären und einem Elefanten begegnet war.
Lucia und Paavo ritten vom Sääksjärvi zum Kiimajär-vi, die Strecke betrug etwa zwei Meilen. Der Elefant war in guter Verfassung und hatte die Begegnung mit den Bären und den anstrengenden Schwimmausflug des vergangenen Abends schon wieder vergessen.
Sie hatten die weiten Ebenen Satakuntas hinter sich gelassen und kamen in die steinigen Ödwälder von Pirkanmaa. Emilia erwies sich als tüchtige Wanderin. Sie trabte ruhig und mit ausgestrecktem Rüssel über den steinigen Boden und trat so gut wie nie auf scharfe Kanten. Ihr natürlicher Instinkt funktionierte, und es schien, als wäre sie ihr Leben lang durch finnische Ödwälder gestreift. Es herrschte herrlich klares Wetter, die Sonne wärmte, aber es war nicht zu heiß. Ein sanf-ter Wind fuhr durch die dunklen Nadelwälder. Die Vögel sangen aus voller Kehle, es schien, als wollte ihnen die kleine Brust schier vor Glück zerspringen. Sie hatten ihre Nester, ihre Reviere, sie fütterten ihre Jungen, und auf den weiten Lichtungen konnte man beobachten, wie Feldlerchen in unendliche Höhen aufstiegen und sich dann unter hellem Gezwitscher wieder auf ihren Nestern niederließen.
In dem steinigen Gelände wuchsen stellenweise sehr dichte Kiefernwälder, die schwer zu durchdringen wa-ren. Oft stoppte Emilia ein wenig ungehalten, trat zu-rück und brach dann mit Macht und wildem Tempo hindurch, sodass die beiden Reiter im Sattel Mühe hatten, oben zu bleiben. In Abständen von ein paar Dutzend Metern gab es große Ameisennester, zwischen ihnen auch noch etliche kleinere. All das ärgerte Emilia, aber Lucia beruhigte sie und kraulte ihr das Ohr. Paavo bemerkte, dass sich am Rande der großen Ameisennes-ter ausgehöhlte Gänge befanden, so als hätten sich dort Bären oder Dachse Eier herausgeholt. Er rief den Tier-arzt Seppo Sorjonen an und erkundigte sich, welche Tiere dort wohl am Werke gewesen waren und ob es stimmte, dass sich Elefanten vor Ameisen fürchteten.
Auf Anhieb konnte Sorjonen berichten, dass der na-türliche Abscheu großer Säugetiere vor Insekten und ganz besonders vor Ameisen, aber auch vor Mäusen und Ratten daher rührte, dass diese nach ihrer Meinung Parasiten waren,
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