Ein endloser Albtraum (German Edition)
Häusern und in allen brannte Licht. Sogar vier Lampen der Straßenbeleuchtung waren an. In zwei Häusern schien in jedem Zimmer Licht zu brennen, in den anderen waren nur ein oder zwei Fenster erleuchtet. Fi stand bloß da, starrte die Häuser an und stieß wie ein Welpe, dem wehgetan wurde, ein leises Wimmern aus. Ich traute meinen Augen nicht. Es war wie in einem Disney-Film, als wären wir um die Ecke gekommen und im Märchenland gelandet. Das war es aber nicht. Es war gefährlich. Ich zog Fi hinter einen Baum.
»Was meinst du?«, fragte ich sie.
Sie schüttelte den Kopf und sagte mit tränenerstickter Stimme: »Ich hasse sie so. Was wollen sie hier? Warum gehen sie nicht dorthin zurück, wo sie hergekommen sind?«
Ungefähr eine Stunde lang rührten wir uns nicht von der Stelle und beobachteten die Straße. Ab und zu kam ein Soldat aus einem der Häuser und ging in ein anderes. Wir wollten mehr sehen und beschlossen näher heranzugehen, doch im selben Moment hörten wir ein Fahrzeug, das den Hügel heraufkam. Wir duckten uns wieder hinter den Baum. Ein großer Jaguar, ein älteres Modell, fuhr summend an uns vorbei und bog in die Turner Street ein. Durch das Licht der Scheinwerfer fiel mir noch etwas auf: Vor mehreren Häusern waren Wachposten stationiert. Wir hatten großes Glück gehabt, dass wir nicht näher gekommen waren, denn wir wären garantiert bemerkt worden. Der Jaguar hielt vor dem Haus von Fis Nachbarn, einem hell erleuchteten zweistöckigen Holzhaus mit einem hohen Giebel. Ein Soldat kam hinter einer Hecke hervor, öffnete eine Wagentür und salutierte einem Mann in Uniform, der aus dem Wagen stieg. Obwohl der Mann wie alle anderen eine Uniform in grünen Tarnfarben trug, unterschied er sich durch die steil aufragende Mütze. Er war ein Offizier und langsam begriffen wir, dass die Häuser für die hochrangigen Militärs benutzt wurden. Wir hatten das militärische Hauptquartier von Wirrawee entdeckt. Snob Hill war immer noch Snob Hill.
Wir kehrten sofort zum Haus der Musiklehrerin zurück, um den anderen Bescheid zu sagen, aber Homer schlief und Lee ebenfalls, wie ich insgeheim erleichtert feststellte. Da wir uns selbst kaum noch auf den Beinen halten konnten, beschlossen wir die beiden nicht zu wecken. Wir unterhielten uns noch eine Weile mit Robyn, die Wache hielt; dann gingen wir auch zu Bett. Ich schlief bei Fi und ersparte mir dadurch eine möglicherweise schwierige Entscheidung bezüglich meines Liebeslebens. Es war neun Uhr früh, als wir uns versammelten und besprachen, was Fi und ich in der Turner Street beobachtet hatten.
Wir saßen in einem Erker mit Blick auf die Straße und redeten. Es war ein gutes Gespräch, das beste, das wir seit langem geführt hatten. Ich lag mit meinem Kopf in Lees Schoß und erzählte den Jungs, was wir Robyn bereits in der Nacht zuvor erzählt hatten. Nachdem Fi ihren Teil hinzugefügt hatte, meldete sich Robyn zu Wort.
»Ich habe gestern Nacht meinen Posten ein paar Minuten lang verlassen«, sagte sie, »weil ich sonst eingeschlafen wäre. Ich wollte mir ein bisschen die Beine vertreten und ging zum Park am Ende der Straße und wieder zurück. Es ist seltsam, aber da ist etwas, an dem ich tausendmal vorbeigelaufen sein muss, ohne es je bemerkt zu haben. Aber gestern Nacht habe ich es bemerkt.«
Sie machte eine Pause.
»Okay, ich geb's auf«, sagte Homer. »Was ist es? Ein Tier, ein Gemüse oder ein Mineral?«
Robyn schnitt eine Grimasse.
»Das Kriegsdenkmal«, sagte sie.
»Oh, das«, erwiderte Homer.
»Ja«, sagte nun Fi. »Das kenne ich. In der sechsten Klasse musste ich dort einen Kranz niederlegen.«
»Aber hast du es dir je genau angesehen?«, fragte Robyn. »Ich meine, richtig?«
»Nein, nicht wirklich.«
»Ich auch nicht. Bis gestern Nacht. Es ist voller Namen und die Namen der Gefallenen haben kleine Sternchen; in insgesamt vier Kriegen sind allein in diesem kleinen Distrikt vierzig Männer gestorben. Und ganz unten steht eine Botschaft, ein Satz aus einem Gedicht oder so ...« Robyn blickte auf ihr Handgelenk und las uns mühsam vor, was sie in winziger Schrift auf ihre Haut geschrieben hatte:
»›Der Krieg ist unsere Geißel; aber er hat uns auch weise gemacht.
Im Kampf um unsere Freiheit sind wir frei geworden.‹«
»Was heißt denn ›Geißel‹?«, fragte Homer.
»Wenn etwas Schlimmes eintritt«, antwortete Fi, »etwas ganz, ganz Schlimmes.«
»Attila den Hunnenkönig nannten sie die Geißel Gottes«, erinnerte ich mich vage
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