Ein Fall für Al Wheeler
Ich glaube, Sie hatten recht .«
»In welcher Beziehung?«
»Daß ich die Wahrheit erzählen
solle, bevor sie mir keiner mehr glaubt«, stotterte er. »Ich bin noch immer im
Laden. Könnten Sie vielleicht gleich zu mir kommen? Es ist so schwierig, am
Telefon zu reden — es ist alles so verwickelt und...«
»Natürlich«, sagte ich. »Ich komme
sofort, Harv . Warten Sie auf mich .«
»Das werde ich tun, Lieutenant .« Seine Stimme klang beinahe dankbar, als er auflegte.
Ich schob das Telefon wieder
zurück, und der Sheriff blickte mich fragend an.
»Das war Harvey Stern«,
erklärte ich. »Er ist bereit, auszupacken — . Ich soll
sofort zu ihm in seinen Laden kommen .«
»Gut«, brummte er. »Vergessen
Sie nicht, ihn nach George Crocker zu fragen — und rufen Sie mich am besten an,
wenn Sie mit ihm gesprochen haben. Sehr wahrscheinlich werde ich zu Hause sein
— selbst ein Sheriff muß gelegentlich essen .«
»Wenn man Sie so ansieht,
Sheriff, käme keiner auf den Gedanken«, sagte ich in bewunderndem Ton und
machte dann, daß ich wegkam.
Etwa eine halbe Stunde später
parkte ich den Healey vor dem Laden und stieg aus. Die Neonschrift leuchtete
und verkündete der Umwelt, daß hinter dem Portal ein gewisser Harvey Stern,
Blumenhändler, weilte; aber die Haustür war zu, und auf Klingeln reagierte
niemand. Wenn Harv seine Absicht, mir gegenüber
auszupacken, geändert haben sollte, so hatte er dafür eine lausige Zeit
ausgesucht, dachte ich. Nachdem ich ein halbes dutzendmal auf den Klingelknopf
gedrückt hatte, drückte ich die Klinke herunter und stellte fest, daß die Tür
nicht verschlossen war. Manchmal hat es seine Vorteile, ein so einfältiges
Individuum zu sein wie ich.
Im Laden selbst überfielen die
überwältigenden Düfte von hundert verschiedenen Blumen mit triumphierender
Beharrlichkeit meine Geruchsorgane, während ich die Tür schloß und nach dem
Lichtschalter tastete. Zwei Sekunden später war das Innere des Ladens von Licht
überflutet, und ich stellte fest, daß er bis auf die Blumen leer war. Ich rief
zweimal Sterns Namen und erhielt keine Antwort. Ich ging also auf das im
hinteren Teil des Ladens befindliche Büro zu, in der schwachen Hoffnung, Stern
könnte dort — inzwischen plötzlich stocktaub geworden — auf mich warten.
Ich öffnete die Tür, trat ein
und knipste das Licht an. Stern war in der Tat da. Er saß hinter seinem
Schreibtisch, aber er wartete nicht auf mich. Er wartete auf überhaupt nichts
mehr, außer vielleicht auf das Jüngste Gericht. Er lag mit dem Oberkörper über
dem Schreibtisch, und aus dem Loch in seiner Schläfe war Blut über die eine
Seite seines Gesichts gerieselt und hatte eine dunkle Pfütze auf der Schreibtischplatte
gebildet.
Seine rechte Hand hielt noch
immer eine Pistole umklammert und dicht daneben lag ein Umschlag, auf dem mein
Name geschrieben stand. Ich nahm ihn, öffnete ihn und entnahm ihm einen Brief.
Er war von
Stern unterschrieben und
säuberlich mit der Maschine getippt. Der Inhalt war sachlich und fast knapp.
Sie
hatten recht, Lieutenant — es wat meine Schuld, daß Patty sich umgebracht hat. Ich ging ein paarmal mit ihr aus,
und ich glaube, ich hatte ihr ein bißchen zuviel vorgemacht, so daß sie sich einbildete, wir würden heiraten. Dann begann sie,
mir auf die Nerven zu gehen, so daß ich ihr mitteilte, nun sei Schluß. Sie
wurde hysterisch, behauptete, sie sei in anderen Umständen und wenn ich sie
nicht heiratete, würde sie sich umbringen. Ich dachte, sie käme wieder mit
ihrer alten Masche, und sagte zu ihr, mir sei es recht, sie solle sich nur
umbringen, das würde uns allen beiden eine Menge
Scherereien ersparen. Ich dachte nicht im Traum daran, daß es ihr ernst damit
war. Ich glaube, ich bin seit dieser Zeit halb verrückt. Ich glaube nicht, daß
ich es ertragen kann, wenn die Wahrheit herauskommt. Dieser Ausweg ist der beste für mich. Auf diese Weise brauche ich nicht in den
Gesichtern meiner Freunde zu lesen, nachdem sie die Wahrheit wissen.
Ich ließ den Brief auf die
Schreibtischplatte neben eine große schlanke Vase mit Kallasblüten fallen. Sie schienen irgendwie richtig am Platz zu sein, und ich fragte mich,
ob Harv dasselbe gedacht hatte, bevor er abdrückte —
aber ich hatte meine Zweifel, sowohl was das eine wie was das andere betraf.
ACHTES KAPITEL
D er Pfarrer, der Doktor und der
Blumenhändler«, sagte Doc Murphy heiter. »Wir drei sind von Geburten, Heiraten
und Todesfällen am meisten
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