Ein feuriger Gentleman: Roman (German Edition)
umgedreht hatte. Jack beobachtete, wie ihr Blick über die Züge ihres Bruders wanderte. »Aber ihr seid nie nach Avening gekommen, um mich zu besuchen.«
Alton winkte ab.
»Als du nicht auf unsere Briefe geantwortet hast …« Er brach ab, sah Clarice an, die den Kopf schüttelte. »Du hast sie nie erhalten?«
»Ich nehme an, du hast sie auf dem Tablett in der Eingangshalle liegen lassen, damit Papa sie frankiert.«
Alton fluchte tonlos, fuhr zum Schreibtisch herum und warf sich in seinen Stuhl.
»Ich dachte nicht, der alte Bock würde so weit gehen. Er hat sich geweigert, dass irgendjemand deinen Namen erwähnt, aber er hat nie etwas davon gesagt, dass wir dir nicht schreiben dürfen.«
»Er hat sich nicht die Mühe gemacht, es zu sagen, er hat es einfach getan.«
Alton stützte sich auf seine Ellbogen und blickte quer durch das Zimmer. Jack nahm gelassen auf dem anderen Stuhl vor dem Schreibtisch Platz und sah, was er bis dahin vermisst hatte: Flüchtig blitzte etwas in der grüblerischen Miene des Bruders auf, was ihn an Clarice’ Unbeugsamkeit erinnerte. Nach einem Augenblick blickte Alton Clarice an.
»Ich habe erneut geschrieben, nachdem er gestorben war.«
Bruder und Schwester blickten einander lange an, dann hob Clarice die Brauen.
»Verstehe.«
Jack nahm an, dass jemand anderes – er tippte auf ihre Stiefmutter – dafür gesorgt hatte, dass der Kontakt zwischen den Geschwistern unterbrochen blieb. Die Frage, die sich daraufhin sofort aufdrängte, lautete: Warum?
Dieselbe Frage stand in Clarice’ dunklen Augen. Er wurde immer besser darin, ihre Miene zu deuten, ihre Gefühle wahrzunehmen und ihre Gedanken zu erraten. Seit sie in die Bibliothek gekommen war, hatte sie … versucht, ihr inneres Gleichgewicht zu finden, denn solch einen Empfang hatte sie nicht erwartet. Er begann zu begreifen, dass sie zumindest mit einer kühlen Begrüßung gerechnet hatte, sogar von ihren Brüdern, und er bekam eine Vorstellung davon, wie tief die Wunde war, die ihr zugefügt worden war.
Aber wie er erkannte auch sie, wie weit ihre Erwartungen von der Wahrheit entfernt waren.
»Alton«, sie fing den Blick ihres Bruders auf, »ich bin heute hergekommen, um dich wegen James um Hilfe zu bitten, in einer Angelegenheit, die die ganze Familie betrifft. Aber bevor wir das besprechen, denke ich, erzählst du mir besser haarklein, was hier vor sich geht.«
Alton erwiderte ihren Blick. Er seufzte tief, rieb sich mit beiden Händen übers Gesicht und fuhr sich mit den Fingern durchs Haar. Dann ließ er die Hände sinken, lehnte sich zurück und schaute Clarice an.
»Darum bin ich ja so froh, dich zu sehen. Was hier geschieht, ist ganz einfach: Moira hat das Sagen. Sie hält alle Fäden in der Hand, und wir alle sind ihre Marionetten, tanzen nach ihrer Pfeife.«
Clarice zog die Brauen zusammen. Ehe sie ihre nächste Frage stellen konnte, klopfte es an der Tür und Edwards trat mit einem Tablett ein, gefolgt von der Haushälterin, die eine Teekanne brachte. Sie mussten warten, während Clarice Mrs.
Hendry begrüßte, lächelnd das Willkommen der Haushälterin entgegennahm und sanft, aber entschieden alle Hoffnungen im Keim erstickte, dass sie in Melton House bleiben würde. Als sich schließlich die Tür hinter dem Butler und der Haushälterin geschlossen hatte, wurde Alton sich wieder Jacks Anwesenheit bewusst.
Er räusperte sich.
»Vielleicht sollten wir diese Diskussion aufschieben, bis Lord Warnefleet uns verlassen hat.«
Jack fing Clarice’ warnenden Blick auf, ehe sie erklärte: »Lord Warnefleet geht nicht, wenigstens nicht ohne mich.« Altons Stirnrunzeln ignorierend sprach sie weiter, während sie ihnen Tee einschenkte. »Ich habe dir ja schon gesagt, er ist ein enger Freund von James. Er ist auch ein enger Freund von mir. Jack weiß alles über unsere Familie. Seine Unterstützung ist von entscheidender Bedeutung, für James, und auch für die Altwoods. Wenn er nicht jetzt mit anhört, was du zu sagen hast, dann werde ich es ihm nachher berichten. Also hör auf, dich zu zieren, und erklär mir, was los ist.« Sie reichte Alton seine Tasse; Jack beugte sich vor und nahm sich seine.
Clarice setzte sich mit ihrer Teetasse in der Hand wieder hin und richtete ihren inquisitorischen Blick auf ihren Bruder. »Du bist jetzt Melton – du bist Inhaber des Marquisats. Dir gehört das Haus hier und die anderen Häuser. Was hat Moira dabei mitzureden?«
Alton sah erst Jack und dann Clarice an.
»Um es
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