Ein feuriger Gentleman: Roman (German Edition)
Erinnerung an ihre Mutter und so weiter.« Anthony wirkte ernst. »Ziemlich übles Zeug.«
Jack wartete einen Moment, dann hakte er nach.
»Aber …?«
»Ich kann nicht für die nächsten Familienangehörigen sprechen, aber, was die anderen Familienmitglieder betrifft, ist über die Geschichte, soweit ich weiß, längst Gras gewachsen.« Anthony sah Jack in die Augen. »Ich glaube wirklich nicht, dass selbst die älteren Mitglieder im größeren Familienkreis Clarice schneiden würden, wenn sie jetzt in die Stadt käme.« Er lächelte. »Und ich weiß, die jüngere Generation würde es keinesfalls tun.«
Jack grinste.
»Ich dachte mir schon, dass Teddy und Sie sie nicht in einem so ungünstigen Licht sehen.«
»Gütiger Himmel, nein!« Anthony blickte ihn wieder an. »Wenn Sie ihren Vater Melton je getroffen hätten, dann verstünden Sie, warum. Jeder, der es gewagt hat, ihm zu widersprechen und als Sieger von dannen schritt – nun, das beschert einem sofort den Heldenstatus. Und Clarice ist auch noch eine Frau, umso mehr ist sie zu bewundern.«
Jack betrachtete Anthonys offenes, ehrliches Gesicht.
»Also wird aller Wahrscheinlichkeit nach Clarice’ Rückkehr in die Stadt keine Schwierigkeiten heraufbeschwören.«
Anthony nickte.
»Die Einzigen, bei denen ich mir unsicher bin, ist ihre nächste Familie. Sie halten nur lose Kontakt, vor allem wegen Moira, Clarice’ Stiefmutter. Clarice’ Vater ist zwar gestorben, aber Moira hat immer noch großen Einfluss im Marquisat, den man besser nicht unterschätzt. Der gegenwärtige Melton, Clarice’ Bruder, gestattet es, dass Moiras Wünsche Vorrang haben. Nun, er hat noch nicht geheiratet, sodass Moira die Gastgeberin und die Dame des Hauses ist.«
Jack dachte nach. Nach einem Moment fragte er:
»Sie können mir also nicht verraten, wie Clarice’ nächste Familie – Melton und ihre anderen Brüder, ihre Halbschwestern und ihr Halbbruder – darauf reagieren werden, wenn sie in der Stadt erschiene.«
Anthony schnitt eine Grimasse und schüttelte den Kopf. »Vielleicht Teddy … aber nein. Er sieht sie weniger als ich.« Er zog die Brauen zusammen. Ein Augenblick verstrich, dann sagte er: »Mir fällt niemand ein, der sagen könnte, was für eine Einstellung ihre nächsten Verwandten Clarice gegenüber haben. Ihr Vater ist vor zwei Jahren gestorben, und während er noch lebte, hat niemand es gewagt, in seinem Haus oder
in seiner Hörweite ihren Namen auch nur zu erwähnen. Das weiß ich.«
»Aber wie die wirklichen Gefühle ihr gegenüber aussehen, können Sie nicht sagen?«
»Nur bei Moira.« Wieder sah Anthony Jack in die Augen. »Moira war immer eifersüchtig auf Clarice. Man könnte sagen, sie hasst Clarice – wenigstens benimmt sie sich so – aber es ist ein Hass, der von Eifersucht genährt wird.«
»Eifersucht der Schwachen auf die Starken?«
»Genau. Ich habe nie gehört, dass Clarice irgendetwas getan hätte, das Moiras Hass erklären würde.«
»Außer, dass Clarice ist, wie sie ist?«
Anthony grinste.
»Genau.« Nach einem Moment gestand er reuevoll: »Sie hat mich im Schach nicht nur geschlagen, sie hat mich praktisch vom Brett gefegt, und ich bin noch nicht einmal sicher, dass sie sich besonders anstrengen musste.«
Jack lächelte und stand auf.
»Ich habe Sie gewarnt.« Er wandte sich zur Tür. »Vielen Dank für die Informationen. Wir sehen uns beim Dinner.«
Er ging die Treppe hinab und kehrte in die Bibliothek zurück. In seinem Stuhl hinter dem Schreibtisch sitzend lehnte er sich nach hinten, richtete den Blick blindlings auf die gegenüberliegende Wand und ging noch einmal alles im Geiste durch, was Anthony ihm gesagt hatte, überlegte, wem er und Clarice in London begegnen würden.
Als der Gong zum Dinner ertönte, er aufstand und zur Tür ging, hatte er eine bessere Vorstellung davon, was sie – sie allein und sie beide – erwarten würde.
Es gab noch Leerstellen, aber er hatte sich ein umfassendes Bild gemacht, um Clarice’ Mut zu begreifen und zu schätzen, dass sie ohne langes Zögern darauf beharrte, in London James’ Interessen zu vertreten.
Obwohl sie wusste, dass sie sich damit den Dämonen der Vergangenheit stellen musste. Obwohl sie bei ihrer Rückkehr auf eine Frau traf, die sie hasste und die mit hoher Wahrscheinlichkeit über die Mittel verfügte, sie tief zu verletzen.
Viel später in dieser Nacht stand Clarice in der Laube am Fenster und schaute auf die stille Landschaft. Auf
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