Ein Frauenheld entdeckt die Liebe
anderen Frauen wären in Ohnmacht gefallen oder in Panik geraten. Sie hingegen hatte einen kühlen Kopf bewahrt. Die Erziehung, die ihr Papa ihr hatte angedeihen lassen, war offenbar doch nicht so schlecht gewesen.
Jake stöhnte auf, was Nicholas daran erinnerte, dass er noch etwas zu erledigen hatte. Er packte den Straßenräuber beim Kragen und zog ihn hoch, bis er auf der Erde saß. Dadurch begann die Wunde wieder heftiger zu bluten, doch das interessierte Nicholas genauso wenig wie die Tatsache, dass Jake laut zu fluchen begann. Er riss dem Schurken das schwarze Tuch vom Gesicht und musterte eingehend die Züge des Mannes.
„Schluss jetzt!“, befahl er schließlich. „Ist Ihnen klar, dass Sie tot sein könnten? Nun, wenn Sie mir keine zufriedenstellenden Antworten auf meine Fragen geben, werden Sie sterben. Und niemand wird mir einen Vorwurf daraus machen, dass ich die Welt von einem Verbrecher wie Ihnen befreit habe.“
„Ich weiß nix.“
„Unsinn! Mich wollten Sie nur ausrauben, aber die Dame wollten Sie umbringen. Warum?“
Jake schwieg.
„Nun?“ Nicholas setzte ihm die Pistole an die Schläfe. „Wollen Sie wirklich nicht reden?“
„Doch, doch!“
„Gut. Und versuchen Sie gar nicht erst, mich zu belügen.“
„Es gab Geld, damit wir se kalt mach’n. Ne Menge Geld. Un’ weil se so hübsch is’, dacht’ ich, es wär nett, erst ’n bisschen Spaß mit ihr zu hab’n. Wenn se doch sowieso ne Kugel …“
Jake sollte seinen Satz nie beenden. Denn plötzlich lagen Nicholas’ Finger an seinem Hals und drückten zu. Der Räuber riss entsetzt die Augen auf, röchelte, zuckte, verlor schließlich das Bewusstsein und wurde unsanft neben seinen gefesselten Komplizen geworfen.
Da der Kutscher noch immer alle Hände voll mit den Pferden zu tun hatte, wandte Nicholas sich endlich dem Hilfskutscher zu, dem es aus eigener Kraft nicht gelungen war, sich zu befreien. Rasch löste er dessen Fesseln, ehe er sich wieder Jake widmete. Der war aus seiner Ohnmacht erwacht, schnappte aber noch immer nach Luft.
„Wer hat Sie bezahlt?“
„Weiß nich’.“
„Es ist besser für Sie, wenn Sie reden. Das können Sie mir glauben.“
„Ich werd häng’n, so oder so.“
Nicholas zuckte die Schultern. „Da ich über einigen Einfluss verfüge, kann ich vielleicht dafür sorgen, dass Sie nur deportiert werden.“
Jake holte noch einmal tief Luft und sagte dann mit heiserer Stimme: „War ’n reicher Kerl, der Ned un’ mich in ’ner Kneipe in London angesproch’n hat. Sagte, wir soll’n nach Knightswood geh’n un’ die Lady such’n. Sagte, dass se sterb’n muss. Nur die Lady. Sonst keiner. Als wir hört’n, dass se nach London will, hatt’n wir die Idee, se als Straßenräuber zu überfall’n. Das is’ unauffällig un’ bringt zusätzlich Geld.“
„Dieser reiche Kerl hat euch bestimmt noch nicht euren vollen Lohn gegeben. Ich gehe jede Wette darauf ein, dass ihr einen Teil des Geldes erst erhalten sollt, wenn der Auftrag erledigt ist.“
Jake nickte.
„Wann und wo sollt ihr den Rest erhalten?“
„Wir soll’n ne Nachricht in der Kneipe hinterlass’n, für Jimmy Ketch. Aber so heißt er nich’.“
„Woher wisst ihr das?“
Trotz seiner hoffnungslosen Lage grinste Jake. „Jimmy Ketch is’ unser Wort für den Henker.“
Mit gerunzelter Stirn starrte Nicholas erst den einen, dann den anderen Räuber an. Es war sich ziemlich sicher, dass er von den beiden nichts Nützliches mehr erfahren würde. Also vergewisserte er sich noch einmal, dass ihre Fesseln fest saßen und begab sich dann zur Kutsche, die mittlerweile bereit zur Abfahrt war.
„He“, schrie Jake ihm nach, „Se könn’ uns doch nich’ hierlass’n. Ich muss sterb’n, wenn die Kugel nich’ rausgemacht wird.“
„Keine Sorge“, rief Nicholas über die Schulter zurück, „ich gebe dem örtlichen Friedensrichter Bescheid, und der wird bestimmt seine Leute herschicken, um euch zu holen.“ Dann stieg er in die Kutsche ein, schloss den Schlag und wollte Serena gegenüber Platz nehmen.
„Nicholas! Gott sei Dank!“ Aufschluchzend warf Serena sich ihm in die Arme. „Ist mit Ihnen alles in Ordnung? Sind Sie unverletzt?“
Er hielt sie fest und strich ihr beruhigend über den Rücken. „Mir geht es gut. Aber Sie sind ja völlig durchgefroren. Kommen Sie!“ Er zog sie fester an sich. „Ich werde Sie wärmen. Zum Glück ist es nicht mehr weit bis zur nächsten Poststation. Dort bekommen wir etwas Heißes zu
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