Ein Freund aus alten Tagen
hatten mit einem Streifenpolizisten und einem Nachbarn gesprochen, von denen Sie erfuhren, dass der Verunglückte Salling war. Trotzdem gingen Sie zu seiner Wohnung hinauf. Warum?«
»Ich wollte mich vergewissern und sicherheitshalber bei ihm klingeln.«
Tilas lehnte sich vor und faltete die Hände. »Und warum haben Sie das nicht getan? Geklingelt, meine ich.«
Meijtens befeuchtete seine Lippen. Er wusste, dass dies der springende Punkt war, für den es keine angemessene Erklärung gab, wenn man nicht zu viel erzählen wollte.
»Es kam mir so vor, als würde ich in der Wohnung Stimmen hören.«
»Es kam Ihnen so vor, als würden Sie Stimmen hören?« Tilas’ Stimme klang sehr sarkastisch.
»Mir wurde klar, dass es eine dumme Idee war zu klingeln. Und ich habe mir gedacht, ich sollte besser auf die Polizei warten.«
»Dann war es also nicht so, dass Sie in Wahrheit vermeiden wollten, mit der Polizei zu sprechen? Dass Sie sich nur dann mit uns in Verbindung setzen, wenn es Ihnen gerade in den Kram passt?«
Meijtens schüttelte den Kopf. Tilas zeigte auffordernd auf den Kassettenrekorder, und Meijtens lehnte sich demonstrativ vor und sprach direkt in das Mikrofon.
»Nein, ich habe nicht versucht, der Polizei aus dem Weg zu gehen«, sagte er und starrte Tilas an.
»Und dann sind Sie nach unten gegangen, um sich im Keller zu verstecken.«
Das war eher eine Feststellung, und Meijtens wartete gespannt auf die nächste Frage. Zu seiner Überraschung kam keine, stattdessen saß Tilas stumm vor ihm und inspizierte seine Fingernägel. Meijtens’ offensichtliche Notlügen langweilten ihn offenbar zu Tode. Es entstand eine absurd lange Pause, in der er sich fragte, was sie wohl mit dem Band machen würden. Schnitten sie die langen Pausen heraus?
»Welche Verbindung besteht zwischen Olof Salling und Erik Lindman?«, fragte Tilas schließlich. Sein Blick blieb auf die Fingernägel gerichtet, aber seine Stimme klang jetzt wachsam.
Meijtens’ Kopf arbeitete auf Hochtouren. Was wusste Tilas? Worauf wollte er hinaus? »Ich glaube«, sagte er möglichst desinteressiert, »dass sie irgendwann in den Sechzigern in derselben Organisation waren.«
Das war die Wahrheit, aber bei Weitem nicht die ganze Wahrheit. Er wartete ab, doch Tilas verzog keine Miene.
»Veritas, eine Art Studentenvereinigung am linken Rand des politischen Spektrums«, ergänzte Meijtens hilfsbereit.
Tilas nickte bedächtig. »Sie waren in derselben Organisation«, wiederholte er tonlos. »In einer linken Studentenvereinigung.«
Nachdenklich betrachtete er Meijtens einige Sekunden lang und lehnte sich dann zu dessen Überraschung mit der Hand auf dem Stoppknopf des Aufnahmegeräts vor.
»Es ist 16 Uhr 48, und das Gespräch mit Tobias Meijtens wird beendet.« Er schaltete aus und beobachtete Meijtens weiter. »Gibt es wirklich nichts, was Sie uns erzählen wollen?«
Meijtens schüttelte den Kopf.
Plötzlich verengten sich Tilas’ Augen, und es zuckte in seiner Schläfe. »Jetzt hören Sie mir mal gut zu. Wenn Sie glauben, Sie können uns hier weiter einen vom Pferd erzählen, dann irren Sie sich gewaltig!«
Sein Wutanfall überrumpelte Meijtens komplett, und er protestierte lahm.
»Halten Sie den Mund!«, unterbrach Tilas ihn. »Halten Sie den Mund, und hören Sie mir zu. Jedes Mal, wenn ich auf einen ermordeten Bolschewisten stoße, finde ich Ihre Fingerabdrücke auf der Leiche, Ihre Visitenkarte in den Taschen der Toten und Sie selbst, wie Sie sich am Tatort herumtreiben. Trotzdem haben Sie mir nie etwas zu sagen. Und wenn Sie dann bei einem eventuellen Mordfall vom Tatort abhauen und sich in der Nähe verstecken, dann sieht das langsam, aber sicher verdammt übel für Sie aus.«
Das kam Meijtens wie eine ziemlich haarsträubende Übertreibung vor. Er hätte darauf hinweisen können, dass er nicht verpflichtet war, der Polizei Auskunft zu erteilen, aber Tilas’ Wortwahl hatte sein Interesse geweckt.
»Ermordet? Heißt das, Sie glauben, dass Erik Lindman und Olof Salling ermordet wurden?«
Tilas wich seinem Blick aus und schien kurz die Fassung zu verlieren. »Das habe ich nicht gesagt.«
»Aber Sie haben gesagt, dass …«
»Wir gehen davon aus, dass es sich um Unfälle handelt«, schnitt Tilas ihm das Wort ab.
Meijtens beschloss, nicht weiter nachzuhaken. Aber Tilas hatte noch etwas gesagt, was ihn erstaunte. Visitenkarte. Er hatte Salling keine Visitenkarte gegeben. Schlagartig wurde ihm klar, was Tilas gemeint hatte.
»Sie reden
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