Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Freund der Erde

Ein Freund der Erde

Titel: Ein Freund der Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
Vom Netzwerk:
Drehbuch in der Hand. Er goß dem Mann einen Drink ein, jetzt weniger nervös als wachsam – und neugierig, eindeutig neugierig. War das hier ein Freundschaftsbesuch, ein Waldschrat, der sich einfach beim Nachbarn einlud? Oder hatte es mit den kaputten Bulldozern und so weiter zu tun, mit dem Feuer? Denn wenn es um das Feuer ging, dann hatte er längst alles zum Thema gesagt – vor Monaten schon, auf einem Barhocker –, nämlich: Nein, ihm war nichts Verdächtiges aufgefallen.
    »Tja, ja«, sagte Quinn keuchend und tappte im Zimmer herum wie ein Tourist im Museum, während Tierwater an der Hausbar stand und Scotch eingoß, »mir gefällt’s hier oben«, und er hätte ebensogut mit sich selbst reden können – oder Tierwaters ungestellte Frage beantworten. »Meine Familie hat seit über zwanzig Jahren eine Hütte hier, wußten Sie das? Hinter der von Reichert, ja? Wir haben sofort zugeschlagen, als damals das Gesetz durchging, daß man hier ein kleines Waldgrundstück bebauen durfte – Glück gehabt, würde ich sagen.« Kurze Pause. Er blickte Tierwater direkt in die Augen. »Ich meine, daß wir das getan haben, bevor die Umweltschützer mit ihrem Gezeter deswegen anfingen.«
    »Eis?« fragte Tierwater.
    »Nur ein bißchen Wasser, danke.«
    Tierwater sah, daß er jetzt eine Zeitschrift in der Hand hielt – den New Yorker –, und er prüfte offenbar das Adressenetikett, aber Tierwater (oder eigentlich Andrea) hatte an alles gedacht, und der Aufkleber lautete auf Tom Drinkwater, Star Route #2, Big Timber, CA 93265. »Nein, diesmal bin ich nicht geschäftlich hier – obwohl das Feuer und der Vandalismus mir schon noch zu schaffen machen, wirklich, weil ich das Gefühl habe, meinen Job nicht erledigt zu haben, bis diese miesen Feiglinge und Feuerteufel hinter Gittern sitzen, wo sie hingehören –, nein, ich spähe gerade einen Bären aus. Demnächst beginnt ja die Jagdsaison mit Pfeil und Bogen – im August. Ich such mir eine Bärin aus und spüre ihr nach, bis ich ihre Gewohnheiten ebensogut kenne wie meine eigenen. Und dann weiß ich, daß ich sie mir schnappen kann, wann immer ich will.«
    Ein Jäger war er also – was sonst? Ein Tiermörder, ein Plünderer der Natur, ein Scheißkerl wie all die anderen. Versicherungsdetektiv. Aha. Und was versicherten die? Die Maschinen der Zerstörung, genau das.
    Tierwater reichte ihm den Drink und sah ihn so selbstsicher an, wie es ihm unter den Umständen möglich war. Und wie hatte er das Feuer erlebt? In Wirklichkeit? Großartig hatte er sich gefühlt. Mehr als das: er hatte sich gefühlt wie ein Rächer, wie ein Gott, der den Schmutz der verderbten Welt fortkehrt, um eine neue und reinere aus der Asche erstehen zu sehen.
    Einhundertvierzig Quadratkilometer, Ty! hatte Andrea gebrüllt, geschrien, so dicht an seinem Gesicht, daß er mit jeder Silbe ihren Atem spürte, wie ein sanftes Bombardement, einhundertvierzig Quadratkilometer Biotop, einfach so futsch. Was ist mit den Rehen, den Eichhörnchen, den Bäumen und den Farnen und dem Rest? Er hatte sich achselzuckend abgewandt: Feuer ist was völlig Natürliches hier oben, das weißt du doch – die Zapfen der Sequoias können gar nicht keimen ohne Feuer. Wenn du ein bißchen studiert oder wenigstens mal gelegentlich ein Biologiebuch in die Hand genommen hättest, statt dauernd nur Demonstrationen zu organisieren, wüßtest du, daß Feuer total normal ist. Ohne einen Atemzug auszulassen, erwiderte sie: Sicher doch, aber nicht, wenn es von einem Streichholz entflammt wird.
    »Prost«, sagte Quinn, als ihm Tierwater das Glas reichte. »Aber was ist mit Ihrem Bein passiert – oder ist es der Knöchel?«
    Tierwater griff nach seinem eigenen Drink – vorsichtig jetzt, sehr vorsichtig – und machte es sich in dem Mopanesessel bequem, ehe er antwortete: »So was passiert eben. Wir waren neulich unterwegs, Dee Dee und ich, gleich hier draußen auf der Straße, hab kurz mal nicht aufgepaßt und bin in den Graben getreten. Knöchel verrenkt. Nicht so schlimm.«
    »Ha!« rief Quinn aus, sein Gesicht verhutzelt wie das eines Affen; er bestand nur aus spinnenartigen Gliedmaßen und einer aufgedunsenen Leber. »Das ist das Alter, ja, ja. Reflexe im Arsch, Muskeln total verknotet. Und die Knie – die verabschieden sich als erstes. Und dann er hier.« Er deutete auf seinen Hosenschlitz und hob eine Augenbraue. »Ach, ich könnte Ihnen Sachen erzählen, glauben Sie mir.« Er sank in den Sessel gegenüber von Tierwater und nahm

Weitere Kostenlose Bücher