Ein gefährlicher Gentleman
um ein paar Besuche zu machen.
Auch wenn sie einfach hinreißend aussah, täuschte ihre faszinierend zarte Weiblichkeit doch nicht über die leichten, dunklen Ringe unter ihren Augen hinweg, die ihn bewegten. Diese beredten, zarten Schatten erinnerten ihn wieder daran, was sie allein hatte ertragen müssen. Wie viel hatte sie geweint, als sie allein war? Hatte sie wach gelegen und sich gefragt, ob ihr noch immer drohte, dass die intimsten Details ihres Lebens ans Licht der Öffentlichkeit gezerrt wurden?
Eine schlichte Nachricht hätte nicht gereicht.
»Guten Morgen, Lady Brewer«, begrüßte er sie steif. Nur für den Fall, dass ein Lakai in Hörweite war oder ihr Butler hinter der offenen Tür stand. »Ich habe mir gedacht, ich spreche heute bei Euch vor, aber wie ich sehe, habt Ihr Besorgungen zu erledigen. Vielleicht kann ich Euch begleiten? Oder darf ich Euch meine Kutsche anbieten?«
Sie war gefasst, ihr Lächeln kaum mehr als höflich. Dennoch schien ihr Blick etwas zu suchen. »Das ist sehr freundlich von Euch, Mylord. Ich wollte meine Schwägerin besuchen, da das Wetter heute so angenehm warm ist. Aber wir können auch Eure Kutsche nehmen, dann müsst Ihr nicht zu Fuß zurückgehen.«
Ihre dunklen Augen, die einen ungewöhnlichen Kontrast zu ihrer blonden, hellen Schönheit bildeten, blickten ihn an. Etwas Fragendes und zugleich offen Unglückliches lag in ihrem Blick. »Es wäre mir eine Freude, Euch mitzunehmen«, sagte er.
Augenblicklich wünschte er sich, er hätte seine Worte anders formuliert. Seine alles andere als unschuldige Fantasie stellte sich sofort vor, wie er sie auf eine andere, lustvollere Reise mitnahm, die nicht im Entferntesten etwas mit dem harmlosen Ausflug in einer Kutsche zu tun hatte. Eine Reise, die mit gemächlichen, schmelzenden Küssen begann, bei der man einander anschließend entkleidete. Eine Reise, die damit endete, dass sie rittlings auf seinem Schoß saß und sie beide sich gemeinsam bewegten und ihrem Ziel entgegenstrebten, das ihnen erotische Erfüllung bot …
Eine Nacht. Sie hatten bloß eine Nacht miteinander verbracht, und diese Nacht lag beinahe ein Jahr zurück. Dennoch erinnerte sein verräterischer Körper sich sofort an ihren, sobald sie in der Nähe war. Es genügte ein Hauch ihres Parfüms oder ein zufälliger Blick, den er bei einer überfüllten Veranstaltung auf ihr Profil erhaschte, oder der Klang ihres leisen, musikalischen Lachens, und sein Schwanz flehte ihn an zu vergessen, weshalb er sich geweigert hatte, eine Affäre mit ihr anzufangen. Madeline war eine dieser seltenen Frauen, die in der Öffentlichkeit raffiniert, weltgewandt und redegewandt waren, im Schlafzimmer aber eine große Leidenschaft offenbarten. Mehr noch, er bewunderte ihre Klugheit und ihren Sinn für Humor ebenso sehr wie ihre körperliche Anziehungskraft. Diese gefährliche Mischung ließ bei ihm sämtliche Alarmglocken schrillen.
Sie war eine Frau, in die ein Mann sich verliebte. Keine, die er einfach mit ins Bett nahm und danach wieder fallen ließ. Er war auch nicht sonderlich überrascht, dass der literarisch veranlagte Lord Brewer für den Zauber seiner Frau geschwärmt hatte. Denn jede ihrer Eigenschaften war es wert, besungen zu werden.
Da er schon einmal geliebt und alles verloren hatte, war Luke nicht daran interessiert, diesen Schmerz noch einmal zu durchleben. Damals in Spanien hatte er mitten im Krieg und in der Hölle, die mit diesem Krieg einherging, die Frau seiner Träume kennengelernt. Es blieb bloß eine Illusion, und noch heute wachte er jeden Morgen auf und spürte den Schmerz seines Verlusts. Diese Qual war zu viel für ihn; er wollte es nicht riskieren, sich diesem Martyrium ein zweites Mal auszusetzen. Sein Titel verpflichtete ihn, eines Tages schließlich zu heiraten, aber mit seinen dreißig Jahren war er nicht daran interessiert, sein Leben schon jetzt zu ändern. Sobald er beschloss, es sei an der Zeit, hatte er sich fest vorgenommen, seine Ehefrau so emotionslos wie irgend möglich auszuwählen. Er hatte sogar überlegt – Gott stehe ihm bei – seine Mutter zu bitten, ihm zu sagen, welche Frau sie als angemessene Braut für ihn in Betracht ziehen würde.
»Ich vermute, wenn jemand beobachtet, wie ich Eure Kutsche besteige oder verlasse, wird es Gerede geben«, murmelte Madeline, während er ihr höflich in das Innere des Gefährts half.
»Euer tadelloser Ruf kann zweifelsohne ein paar Kratzer vertragen«, erwiderte Luke zynisch. Ihn belustigte
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