Ein Glas voll Mord
erledigt hatte; Elizabeth ihrerseits dachte gar nicht daran zu zahlen und behauptete, er habe diese Arbeiten nicht zu ihrer Zufriedenheit erledigt. Der Vorfall hatte sich ereignet, bevor Janet auf das Wirtschaftscollege gegangen war, aber der Groll war auf beiden Seiten noch so gut wie neu.
»Stimmt’s, dass Sie ihn gefunden haben, Janet?«
»Ja, das habe ich.« Sie ging zum Herd und begann geschäftig mit den Kartoffeln zu hantieren.
»Lassen Sie sie in Ruhe damit, Sam. Sie ist nicht besonders glücklich darüber. Wer wäre das schon?«
Neddick stellte das leere Glas ab. Er wusste, dass Bert ihm kein zweites anbieten und Janet seine Neugier nicht befriedigen würde. »Gut, ich geh dann mal. Brauchen Sie mich morgen, Bert?«
»Wenn Sie es einrichten können, ja. Wir müssen die alten Zaunpfähle auf der oberen Weide reparieren, bevor wir die Kühe dort grasen lassen können.«
Sam Neddicks Achselzucken konnte alles und nichts bedeuten. »Übrigens, Bert, Fred Olson möchte, dass sich alle von den Owls heute im Versammlungsraum treffen. Schließlich ist Hank ehemaliger Grand Supreme Regent – deswegen sollen wir alle in einem Trauermarsch hinter dem Sarg hergehen. Fred sagt, wir üben das besser mal, damit wir uns in der Kirche nicht zu Idioten machen.«
»Oh, so ein Mist, Bert«, sagte Janet, »ich hab dein Owls-Kostüm letzte Woche in die Reinigung gegeben. Annabelle hatte mich drum gebeten. Sie sagte, du hättest dir bei der Parade zum Dominion Day irgendwas darauf gekleckert. Bier wahrscheinlich. Morgen früh fahre ich hin und hole es.«
Ihr Bruder war nicht gerade begeistert. »Warum hast du’s nicht selbst gewaschen?«
»Damit diese dämlichen Hühnerfedern sich überall in Annabelles neuer Waschmaschine festsetzen?«
»Du hättest es doch in der Spüle waschen können!«
»Ja, und den Abfluss verstopfen.«
Sam wusste, dass die Wadmans nie wirklich aufregende Auseinandersetzungen hatten; sie waren eine viel zu freundliche Familie. Er ging ohne abzuwarten, wer gewinnen würde. Bert wusch sich und zog sich für das Treffen um. Janet begann, laut mit Töpfen und Pfannen zu hantieren, weil sie wütend auf Fred Olson war. In seiner kleinen Stadt lief ein Mörder frei herum, und alles, woran er dachte, war eine Show zur Beerdigung des letzten Opfers!
Bert, geschrubbt und gut aussehend in seinem sauberen Flanellhemd, war gerade dabei, sich an den Esstisch zu setzen, als jemand schüchtern an die Tür klopfte. »Da ist sie wieder, unsere Lieblingskostgängerin. Ich hätt’s mir denken können.« Sie hob die Stimme. »Komm rein, Marion. Das Essen ist gerade fertig geworden.«
»Ich bin nicht Marion«, sagte eine dünne Stimme.
Janet ging zur Tür. »Ach, Gilly Bascom! Ich dachte, du wärst bei deiner Mutter.«
»War ich auch.« Die unerwartete Besucherin ließ sich auf den Stuhl fallen, den Bert ihr hingeschoben hatte. »Sie hat die ganze Zeit gejammert, was für eine arme, einsame Witwe sie jetzt ist – die ganze Zeit! Ich konnt’s nicht mehr ertragen! Wenn sie nur noch ein einziges Mal gesagt hätte: ›Weißt du, es war deines lieben, toten Vaters Wunsch …‹, dann wär ich ausgerastet und hätte ihr eins übergezogen, das schwör ich euch. Eigentlich ist ihr das Ganze völlig egal, wirklich. Sie hätte nicht mal bemerkt, dass Papa tot ist, wenn es nicht so eine günstige Gelegenheit wäre, mir wieder damit in den Ohren zu liegen, dass ich zurück zu ihr nach Hause ziehen soll.«
Gillys dünne Hand krallte sich in das Tischtuch. »Ich zieh da niemals wieder ein. Bevor ich mein Kind unter einem Dach mit dieser Frau aufwachsen lasse, bring ich mich um, und ihn auch!«
Bert nahm die Flasche und goss Rum in das Glas, das Janet ihm hinhielt. »Hier, nimm einen Schluck. Ist gut gegen Schmerzen jeder Art.«
Er musste ihr helfen, das Glas an die Lippen zu führen. Sie schüttelte sich und hustete, nachdem sie den Rum hinuntergestürzt hatte. »Uff! Danke, Bert. Geht schon wieder.«
So sah sie allerdings nicht aus. Janet beäugte ihre alte Schulkameradin sorgenvoll und fragte sich nicht zum ersten Mal, wie die beeindruckende Mrs. Druffitt ein so einsames, verlorenes Kindchen hatte ausbrüten können.
Gilly war ungefähr halb so schwer wie ihre Mutter, hatte die verwaschene Gesichtsfarbe ihres Vaters, schmale Züge, die von krausem, gebleichtem Haar eingerahmt wurden; das Blond war rausgewachsen, am Scheitel waren die Haare mausfarben. Ein Ring aus abgelutschtem Lippenstift umrandete einen
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