Ein Grausames Versprechen
dem Staub machen, ihm sagen, Julio gehe es wahnsinnig schlecht, tut mir leid, Kumpel, aber ich muss los. Dann würde er sich für den Rest des Tages irgendwo verstecken. Ein Kino! Er war seit einer Ewigkeit nicht mehr im Kino gewesen. Ja, das war es, gemütlich im Dunkeln sitzen, ein großes Sprite in der Armbeuge, Popcornöl an den Fingern, während die Stunden verrannen und die Detectives das Warten satthatten, sich ihren Durchsuchungsbefehl besorgten und ins Haus stürmten. Er würde sich einen Film nach dem anderen ansehen und dann in der Abenddämmerung aus dem Kino kommen, in seinen Wagen steigen, das Radio einschalten und erfahren, dass der Mörder Thomas Werner hinter Schloss und Riegel war.
Es würde nett sein, Julio alles zu erklären, aber er musste eben hoffen, dass der lange genug durchhielt.
Wayne Rhodes platzte ins Büro. »Geht’s dir gut?«
»Bis du mir fast einen Herzinfarkt verursacht hättest, ging es mir gut.« Murray fasste sich dramatisch an die Brust.
»Dich meine ich nicht.« Wayne war blass und schwitzte.
Ella fühlte eine nicht unangenehme Röte aufsteigen. »Setz dich lieber.«
Er schnappte sich den nächstbesten Stuhl. »Ich habe es eben erst gehört.«
»Und was hast du gemacht?«, fragte Murray. »Bist du von zu Hause hierher gerannt?«
»Die Feuertreppe herauf.« Wayne lockerte sein Hemd an den Schultern. »Der Aufzug ist um diese Tageszeit immer so voll.«
»Nur um zu sehen, ob es ihr gut geht.« Murray grinste spöttisch.
Ella spürte ein Kribbeln. Sie trat unter dem Tisch nach Murray.
»Hey, ich meine ja nur«, sagte der.
»Wo gibt es hier einen Kaffeeautomaten?«, fragte Wayne.
»Murray holt dir einen«, sagte Ella und sah ihren Kollegen scharf an. Er seufzte, stand auf und ging.
»Es ist nur so«, sagte Wayne, »dass ich gern ein wachsames Auge auf meine Freunde habe.«
Ella schaute auf das Diagramm auf ihrem Schreibtisch. »Danke.«
»Und ich wollte sagen, dass ich vielleicht ein bisschen überreagiert habe, was Mrs. Nolan angeht.« Er zupfte an der Kunstlederlehne seines Sessels. »Als ich es heute Morgen hörte, hatte ich ein scheußliches Gefühl, weil wir die Sache so stehen ließen.«
»Ich bin diejenige, die aufhören sollte, Leute zu beschuldigen«, sagte Ella. »Ich glaube, du hast recht. Sie will allem auf den Grund gehen und die zweite Seite dieses Briefs ist irgendwie verloren gegangen, aber nicht wegen ihr. Denn hätte sie es geheim halten wollen, hätte sie uns ja gar nichts zeigen müssen.«
Murray brachte den Kaffee. »Kuiper ist gerade eingetroffen. Er ist direkt in sein Büro gestürzt und sah sehr ernst aus.« Er stellte die Tasse vor Wayne ab und sah Ella an. »Vielleicht haben sie ihn erwischt. Vielleicht ist er mit einer Axt vor deinem Haus aufgekreuzt, und sie haben ihn sich geschnappt.«
»Murray«, sagte Wayne.
Kuiper klopfte an die Tür. »Besprechungsraum, sofort.«
»Ich geh dann mal lieber.« Wayne stand auf. »Wir sprechen uns später?«
»Aber klar.« Ella lächelte.
Als alle versammelt waren, schloss Kuiper die Tür. »Das Netz über Deborah Kennedy zieht sich zusammen. Die Beamten in Griffith glauben, sie haben ihren Aufenthaltsort ausgemacht, und wir warten jetzt nur noch auf die Bestätigung. Wir werden sie hoffentlich noch im Lauf des Tages vernehmen können.
Hier bei uns gab es allerdings einige bedeutsame Entwicklungen.«
Er berichtete der schweigenden Gruppe, was in Ellas Haus vorgefallen war. Sie blickte stur geradeaus, während er sprach. Jetzt hörte es sich dumm von ihr an, dass sie von den ersten Zwischenfällen nichts gesagt hatte, aber wer konnte wissen, was los war? Im Nachhinein war man immer schlauer.
»Die Befragung in der Nachbarschaft ergab einige Ergebnisse« sagte Kuiper. »Ein Mann, der dabei gesehen wurde, wie er offensichtlich die Häuser in der Nähe von Marconis beobachtete, wurde als Weißer, von durchschnittlicher Größe und Statur, in den Dreißigern beschrieben. Er trug Jeans, ein blaues Hemd und eine Mütze der Broncos über dunklem Haar. Er wurde zweimal gesehen, zuletzt gestern Nachmittag, als er in einen blauen Wagen stieg, dessen Nummernschilder sich als gestohlen herausstellten.
Die andern beiden Zeugen beschrieben einen ähnlichen Mann, nur weniger genau. Eine Zeugin sah ihn vor zwei Tagen, als sie rückwärts aus ihrer Garage setzte und ihn beinahe überfahren hätte, weil er hinter ihrem Auto vorbeiging und auf die andere Straßenseite schaute - in die Richtung von Marconis
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