Ein Grausames Versprechen
sein Hemd darüber, dann ging er zur Treppe und lauschte. Unten lief der Fernseher, irgendeine Vormittagsshow, und er hörte Nona zusammen mit dem Studiopublikum lachen. Er schlich weiter zu Thomas’ Zimmer am Ende des Flurs. Die Tür war zu, und er suchte ausgiebig nach Haaren im Rahmen, die verraten würden, dass jemand eingedrungen war. Es gab keine. Er zog den Ärmel über die Hand und stieß die Tür sehr langsam auf, für den Fall, dass dahinter andere Fallen wie gestapelte Gläser lauerten.
»Thomas?«, flüsterte er. Keine Antwort. Er machte Licht und schlüpfte in das Zimmer.
Die Fenster waren geschlossen, die Vorhänge zu. Es roch nach den Drogenchemikalien. Das Bett war nicht gemacht, und eine Jeans hing vom Fußende. Zerknüllte T-Shirts lagen auf dem Boden herum. Sal warf den Stadtplan direkt unter das Bett, dann sah er sich um und überlegte, was er noch hinterlassen könnte. Ein Zipfel hellblau glänzender Stoff, der unter einem T-Shirt hervorlugte, stach ihm ins Auge. Er angelte ihn mit dem Fuß heraus. Ein Damenhöschen. Eins, das er wiedererkannte.
Verdammt noch mal, Tracy.
»Sal!«
Er kickte ein T-Shirt über das Höschen, schaltete das Licht aus und eilte so schnell und leise er konnte aus dem Raum. Nach drei großen Schritten war er an der Tür seines eigenen Zimmers. »Was ist?«
»Da ist ein Mann an der Tür.«
»Wer?«
Nona kam halb die Treppe herauf. Sie sah ängstlich aus. »Komm lieber runter.«
Sein erster Gedanke war, es könnte jemand vom Hospiz sein. Aber taten sie das? Wenn Angehörige dort waren, die einfach anrufen konnten?
Er folgte Nona zur Haustür. Die Gittertür war noch abgeschlossen, und er musste dicht vor sie treten, um richtig sehen zu können.
»Mr. Rios?« Der Mann war Chinese. Er hatte ein rundes, feistes Gesicht und trug einen glänzenden blauen Anzug, der Sal an das Höschen oben erinnerte.
»Mr. Rios?«, wiederholte er.
»Ja?«
Der Mann hielt einen Umschlag in die Höhe. Neben der Tür, außerhalb seines Blickfelds, runzelte Nona die Stirn und schüttelte den Kopf. »Schließ die Tür nicht auf!«, zischte sie.
»Äh, können Sie ihn einfach auf die Matte legen?«, sagte Sal.
»Ich muss ihn persönlich übergeben.« Der Akzent war breites Australisch.
Nona schüttelte weiter den Kopf, aber Sal öffnete die Tür. Der Mann händigte ihm das Kuvert aus, dann ging er langsam die Einfahrt hinab.
»Du bist so ein Idiot.« Nona schob Sal zur Seite, damit sie die Gittertür wieder absperren konnte.
Der Mann stieg auf der Beifahrerseite in einen silbernen Mercedes, der auf der Straße wartete, ehe Nona die Haustür zuschlug und Sal die Sicht raubte. »Und wenn er uns hätte töten wollen?«
Sal drehte den Umschlag in der Hand. Er war aus starkem weißem Papier, beide Seiten waren unbeschriftet.
»Mach ihn lieber nicht auf.«
Er schob den Daumennagel in eine Ecke der Lasche.
»Und wenn es eine Bombe ist?«
Das Kuvert enthielt ein dreifach gefaltetes Blatt aus ähnlich starkem Papier. Sal entfaltete es und sah fünf handgeschriebene Zeilen in schwarzer Blockschrift.
Feng Xie war unser Mann. Seine Familie hat uns von seinem Ableben und der Tatsache, dass die Polizei die Umstände untersucht, in Kenntnis gesetzt. Unsere Vereinbarung mit Ihnen ist hiermit beendet. Nehmen Sie keinen Kontakt mit uns auf. Sollten wir irgendwelche Auswirkungen in unsere Richtung feststellen, wird es Ihnen leidtun.
Feng Xies Anweisungen sind übrigens falsch. Ihr Koch wird keinen Erfolg haben.
Nona versuchte, ihm über die Schulter zu schauen.
Er zog das Blatt weg. »Bist du Mr. Rios?«
»Du kannst so ein Arschloch sein.«
»Und du ein echtes Miststück.« Wieso um alles in der Welt glaubte ich, wegen dir jemandem etwas antun zu müssen.
Sie stampfte nach oben und rief einen Moment später aus dem Badezimmer: »Glaub ja nicht, dass ich deine Klamotten aufhebe.«
Sal bemühte sich, sie zu ignorieren, und dachte nach. Wenn er Thomas den Brief zeigte, würde der seinen Versuch der Drogenproduktion vielleicht aufgeben und einen Heimflug buchen. Und während er auf den Flug wartete, würde er hier im Haus herumhängen - eine leichte Beute für die Polizei.
Im Wagen plante er dann seine Schritte. Thomas den Brief geben und auf einen Wutausbruch gefasst sein. Wenn er daran dachte, wie er den Heizlüfter durch den Raum geschleudert hatte, konnte er sich leicht vorstellen, dass er den ganzen Laden zerlegte. Er würde ihm also den Brief geben und sich so schnell wie möglich aus
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