Ein gutes Herz (German Edition)

ganz organisch, ganz natürlich. Du wirst es merken. Woran dachtest du gerade?«
    »Ich dachte daran… Du hast mich aber schon für deinen Trip eingespannt, hm? Das ist dein Trip.«
    »Ich hatte dir drei andere Lebende angeboten, Hirsi Ali, de Winter, Boujeri. Du wolltest sie nicht.«
    »Du wusstest, dass ich sie nicht will«, entgegnete Theo. »Du wusstest, dass ich sie ablehnen und infolgedessen keine andere Wahl haben würde als deinen Kohn. Und Kohn ist dein Mann. Und auch ein bisschen der Mann von Job Cohen. Wenn ich noch leben würde, könnte ich ein halbes Jahr lang einen Artikel nach dem anderen darüber schreiben. Cohen und Kohn sind Halbbrüder. Pikant. Und politisch tödlich, scheint mir. Glaubst du, dass er den ganzen Schlamassel als Bürgermeister überstehen wird?«
    »Das hängt von dir ab.«
    »Von mir? Also wenn ich tue, was ich zu tun habe, rette ich auch Cohen?«
    » Ein Akt der Selbstlosigkeit führt zu einer Kettenreaktion von Millionen guter Momente.«
    »Ja«, sagte Theo. Er hatte da so seine Zweifel. Trank sechs Gläser Chivas und rauchte sechsunddreißig Gauloises. Alles gleichzeitig.
    »Jimmy… Bekomme ich meinen Körper wieder?«
    »Ja. Wenn alles seinen normalen Gang geht, wirst du wieder die Empfindung haben, ganz zu sein, vollständig, komplett.«
    »Warum bist du nicht weitergegangen? Du hängst hier in der Aufnahme rum, willst du nicht weiter?«
    »Ich gehöre hierher.«
    »Nein. Du wartest. Falls es schiefgeht. Du bist dir nicht sicher, dass ich meine Arbeit gut machen werde. Ist es das?«
    »Nein, wirklich nicht, Theo. Ich habe vollstes Vertrauen in dich.«
    »Was ist es dann? Wie lange willst du hier in der Aufnahme bleiben?«
    »Solange es nötig ist…«
    Und da ging Theo auf, dass Jimmy auch im Tod für diese Frau sorgen wollte. Deshalb hatte er Kohn sein Herz gegeben. Und später, wenn sie alt und krank geworden war, würde er sie hier auffangen und tragen und trösten.
    »Wie hast du das mit dem Herz gemacht? Wie hast du es hingekriegt, dass Kohn dein Herz bekam und nicht irgendein anderer?«
    »In dem betreffenden Krankenhaus haben wir, die Franziskaner, noch ziemlich viel zu sagen. Sie haben meinen Körper so lange am Leben erhalten, bis Kohn oben auf der Warteliste angekommen war. Diese Liste zirkuliert im ganzen Land, weil verfügbare Herzen so schnell wie möglich bei Patienten mit den passenden Merkmalen eingepflanzt werden müssen. Sonja liebte Kohn. Als ich krank wurde, habe ich mich über ihn kundig gemacht, weil ich wissen wollte, wer dieser Mann eigentlich war, der im positiven wie im negativen Sinne zur Obsession für sie geworden war. Und dabei entdeckte ich, dass er auf ein Spenderherz wartete. Ich wusste, dass ich sterben würde und ihm mein Herz spenden konnte. Ich konnte etwas für ihn tun, und damit würde ich auch etwas für Sonja tun. Monate, bevor ich für hirntot erklärt wurde, habe ich mein Drehbuch mit einigen Franziskanerfreunden in der Mayo Clinic in Rochester besprochen. Ich war glücklich, dass sie es so umsetzen konnten, wie ich es mir gewünscht habe.«
    »Dein Herz hätte also auch im Körper einer fünfhundert Pfund schweren Chinesin landen können? Das hätte ich gerne erlebt, Jimmy!«, sagte Theo lachend, während ihm der Rauch aus sämtlichen Schädelöffnungen quoll.
    »Es wäre möglich gewesen«, bestätigte Jimmy lächelnd. »Medizinisch war es nicht einfach, meinen offiziellen Tod so zu timen, dass mein Körper funktionsfähig erhalten wurde, bis Kohn oben auf der Warteliste stand. Das Krankenhausteam musste mich fast drei Wochen lang transplantationsbereit halten. Das ist sehr lange. Gelingt nicht in vielen Krankenhäusern. In Rochester schon. Die Lungenfunktion nimmt oft stark ab, wenn jemand hirntot ist. Es ist extrem schwer, alle Elektrolytfunktionen im Gleichgewicht zu halten. Elektrolyte sind Salze, die in einem bestimmten Verhältnis innerhalb und außerhalb der Körperzellen vorkommen. Wenn das Gleichgewicht zwischen diesen Salzen gestört ist, geraten die Organe durcheinander. Der Körper neigt auch zur Übersäuerung, und die Nieren produzieren dann große Mengen Harn, manchmal bis zu zwanzig Liter am Tag. Ich war nur noch Gemüse, obwohl ich die Augen öffnen konnte. Ich konnte Kaubewegungen machen, ich konnte sogar gähnen. Mein Herz und andere Organe funktionierten dank des ärztlichen Könnens einwandfrei. Aber eines Tages bleibt bei einem Hirntoten alles stehen. Trotzdem haben sie so lange gewartet, bis alle anderen, die