Ein gutes Herz (German Edition)
dieser zu ihm aufschaute.
Sallie schüttelte abwehrend den Kopf, griff ans Treppengeländer und ließ sich auf eine Stufe nieder.
»Was machen wir jetzt, Sal?«, rief der nervöse Junge, der die Männer mit der Waffe bedrohte. »Knallen wir sie ab? Was machen wir, Sal? Das sind Juden!«
»Halt den Mund, Karel! Lass mich nachdenken…«
Karel – ein absonderlicher Name für einen Marokkaner, dachte Theo – hechelte vor Panik und blickte in einem fort zwischen Sallie und den Rücken der beiden knienden Männer vor ihm hin und her. Die Waffe zitterte in seinen Händen.
»Sallie«, sagte Ouaziz. »Du hast meine Freilassung gefordert. Hier bin ich.«
Karel schaute fragend zu Sallie, seinem Anführer, und versuchte, das Gesagte zu begreifen.
Sallie erwiderte: »Ich habe deine Freilassung nicht gefordert. Meine Jungs im Flugzeug dachten, sie könnten mir eine Freude damit machen, dass du freikommst. Da haben sie sich geirrt.« Theo sah, dass Ouaziz diese Worte schmerzten. Der Mann musste schlucken. Auch er war nervös, wie Theo jetzt merkte, nur konnte er es besser verbergen als Karel.
Theo sagte: »Er ist dein Vater, verdammt. Ein bisschen Respekt wäre nicht unangebracht.« Aber Sallie hörte nichts.
Kohn sagte es an Theos statt: »Sallie, Kicham ist dein Vater. Ein bisschen Respekt bitte.«
So geht das also, dachte Theo, während ein Gefühl der Glückseligkeit seinen… Ja, seinen Was durchströmte: seinen Kopf, sein Bewusstsein, seine Seele? Egal, er konnte mittels und mit Kohn kommunizieren! Er jauchzte innerlich.
»Respekt vor einem Hurenbock?«, sagte Sallie. »Du hast dich nie wie ein Vater benommen.«
Ouaziz entgegnete: »Ich habe für Sicherheit gesorgt. Für Wohlstand. Ich habe mit meinen Händen erreicht, wofür mein Vater einst Marokko verlassen hat.«
»Als Krimineller, ja.«
»Verfluch mich, wenn du willst. Ich habe getan, was ich getan habe. Ich bereue nichts.«
»Du wirst in der Hölle brennen, Papa. Ja, ich höre, was ich sage. Papa. Ich wollte es schon seit Jahren sagen. Jetzt tue ich es. Jetzt, wo du mein Gefangener bist.«
Kohn sagte: »Du lässt deinen Vater vor dir knien?«
Sallie wandte sich an Karel: »Schau nach, ob sie Waffen bei sich haben.«
Karel schob seine Waffe am Riemen auf den Rücken, trat hastig ein paar Schritte zu den Männern hin und klopfte sie mit fahrigen Bewegungen ab, von oben bis unten. Danach nickte er Sallie zu und nahm wieder ein paar Meter Abstand von den Männern, ja sprang fast von ihnen weg. Er wartete den nächsten Befehl Sallies ab.
»Steht auf.«
Ouaziz und Kohn nahmen die Arme runter, standen auf und schauten ungerührt zu Sallie hoch, der sich die MP7 auf den Schoß gelegt hatte. Er wollte sie offenbar nicht auf seinen Vater richten.
Kohn fragte: »Was hast du vor?«
»Ist das noch nicht deutlich geworden? Wir wollen Wilders. Den Faschisten. Wir nehmen ihn mit an Bord und werden ihm eine Lektion erteilen.«
»Das wird dir nicht gelingen«, sagte Kohn.
»Hast du gesehen, wen wir hier alles gefangen halten? Hey, du bist doch dieser Unterweltjude, oder? Der Boss von meinem Pa-pa. « Er sprach das Wort aus, als feuerte er zwei Schüsse ab.
»Wir sind immer Kumpel gewesen. Ich war nie der Boss.«
»Wer’s glaubt, wird selig.«
Ouaziz sagte: »Warum tust du das, Sallie?«
»Warum? Allein schon, dass du mich das fragen musst, beweist, was für ein Ungläubiger du geworden bist! Ist das, was in der Welt passiert, nicht Grund genug, das zu tun? Was ist aus uns geworden, hier auf der Erde? Putzleute und Müllmänner! Zeitungsausträger und Taxifahrer! Dabei sollten wir herrschen! Wir tun das für alle, die von den Ungläubigen und den Juden umgebracht wurden! Wir sind die Jünger des Propheten, Sallallahu alaihi wa sallam, und wir gehen seinen Weg!«
Karel, der Junge, der sie mit der Waffe bedrohte, wiederholte: »Sallallahu alaihi wa sallam.«
Ouaziz fragte noch einmal: »Warum tust du das, Sallie?«
»Bist du taub geworden, Pa-pa ?«
»Ich höre dich sehr gut, Sallie. Nur nehme ich dir das nicht ab. Du bist kein Glaubensfanatiker. Warum tust du das?«
»Warum ich das tue?« Sallie zog sich am Treppengeländer hoch, hängte sich seine Waffe wieder über die Schulter und schob sie auf seine Hüfte. »Weil ich es kann. Weil ich es will. Weil ich es mir vorstellen konnte! Weil ich ein Mahnmal gegen die totale Pervertierung unseres Lebens in diesem Land der Ungläubigen errichten will!«
Er ging auf sie zu, Stufe für Stufe.
Ouaziz sagte:
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