Ein gutes Herz (German Edition)
Lieblingshotel in Los Angeles geschrieben, doch die Stadt war für ihn verseucht. Er hatte sie Jessica vorgestellt, die jetzt noch dort wohnte, und damit war der Ort für ihn indiskutabel. Der gesamte Südwesten der USA war im Übrigen für ihn zum Sperrgebiet geworden. In Scottsdale waren Sonja und Nathan bei Max Kohn eingezogen, der noch einer intensiven Reha bedurfte. Für de Winter war ein Amerikatrip also vorerst kein Vergnügen mehr.
Am ersten Tag von Brams Aufenthalt verbrachte de Winter einen interessanten Abend mit ihm. Sie bummelten durch die Straßen von Antibes und gingen gut essen und ausgiebig trinken. Ihre Unterhaltung bestand in erster Linie aus Seufzern in verschiedenen Variationen und der Wiederholung des bemerkenswerten Wortes tja… Es gelang ihnen, keinen einzigen Satz miteinander zu wechseln, der mehr als drei Worte umfasste.
Beide von ihrer Liebsten verlassen, beide zutiefst gedemütigt und lächerlich gemacht, und so schlenderten die beiden Männer mittleren Alters abends durch pittoreske Gassen und starrten tagsüber aufs Meer hinaus.
Am nächsten Morgen, beim Frühstück auf der Terrasse, war die Stimmung wesentlich heiterer. Trotz ihrer Kopfschmerzen hatten sie ein richtiges Gespräch.
Bram fragte: »Machst du Fortschritte mit deinem Buch?«
»Ich bin ganz gut in Fahrt.«
»Wann ist es fertig?«
»Wenn ich das Wort Ende tippe.«
»Witzbold. Darf ich es lesen, bevor es erscheint? Ich komme schließlich darin vor.«
»Ja, du bekommst es zu lesen. Du darfst aber nur sachliche Fehler ausmerzen.«
»Kommt Eva auch darin vor?«
»Zwei-, dreimal. Nicht oft.«
Bram trank einen Schluck Kaffee und fragte, auf den Swimmingpool starrend: »Kannst du sie nicht durch den Schmutz ziehen?«
»Meinst du etwa, das würde nicht auffallen?«
»Soll ich ein Buch über sie schreiben? Mein erstes Buch ist ein Hit. Ein Buch über mein Privatleben verkauft sich bestimmt erst recht.«
»Gute Idee, Bram.«
»Wirst du ein Buch über Jessica schreiben?«
»Nein. Ich möchte lieber einen harten Thriller schreiben.«
»Darin braucht Jessica doch nicht zu fehlen? Wollen wir den Thriller zusammen schreiben? In Sachen Verbrechen kenne ich mich ganz gut aus.«
»Ja. Das machen wir. Ich habe schon die ganze Zeit ein bestimmtes Bild im Kopf, von einem Mann in einem Café, ein Pistolenholster an der Stuhllehne, das Gesicht vom Betrachter abgewandt. Ein Bild à la Hopper. Könnte ein Detektiv sein. Darum herum möchte ich einen Thriller schreiben.«
Daraufhin war es minutenlang still.
»Ich habe nie gewusst, dass sie etwas an Ruud Gullit findet«, sagte Bram unvermittelt.
»Ist doch ein gutaussehender Mann«, sagte de Winter. »Reich. Berühmt.«
»Bin ich auch«, sagte Bram.
»Reicher und berühmter.«
»Und Jessica mit diesem Architekten?«
»Der ist auch reich und berühmt. Ich nicht.«
»Und Sonja?«
»Die hat mich nie geliebt. Sie hat auf Kohn gewartet. Er hat sie geholt. Sie ist mit ihm gegangen. So simpel war das.«
»Kohn ist reich. Und berüchtigt«, sagte Bram. »Sind unsere Frauen solche opportunistischen Luder? Oder liegt es auch an uns?«
»Möchtest du wirklich eine ehrliche Antwort darauf, Bram?«
»Nein. Lass.«
Es war der dritte Tag von Brams Aufenthalt. Sie hatten bis tief in die Nacht getrunken und Videos angeschaut, moderne Klassiker wie Chinatown und Sleepless in Seattle.
De Winter hatte den Tag über nach einem Weg gesucht, wie er Theo van Gogh in das Buch hineinschreiben konnte. Ohne van Gogh hätte Mohamed Boujeri niemals seinen gewalttätigen Fanatismus ausleben können. Und wenn er van Gogh in das Buch hineinbringen konnte, gab es vielleicht auch eine Möglichkeit, das Video mit den widerlichen Äußerungen van Goghs als literarisches Motiv einzubauen. Aber van Gogh war tot, und Tote sprachen nicht.
In dieser Nacht erschien ihm Theo van Gogh in dem warmen Zimmer im Erdgeschoss von Brams Haus.
Es war halb vier. De Winter schlug die Augen auf und sah van Gogh in einer Ecke seines Schlafzimmers. Sein Herz klopfte laut vor Schreck. Van Gogh kam zu ihm herüber und setzte sich auf das Fußende seines Bettes.
De Winter dachte: Das ist ein Traum, das muss ein Traum sein. Der rührte natürlich daher, dass er über van Gogh schreiben wollte und stundenlang über ihn nachgedacht hatte. Der war nun in sein Unterbewusstsein eingedrungen. Gut, er hatte ihm selbst die Tür aufgestoßen.
Aber als van Gogh ihn ansprach, setzte er sich ruckartig auf. Das war kein Traum! Oder war es
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