Ein gutes Herz (German Edition)
Janet?«
»Mama.«
»Und wenn ihr Vater zu Besuch kam, wie nannten sie den?«
»Onkel Jimmy.«
»Sie haben also keine Ahnung, dass sie die Kinder eines katholischen Priesters und einer ledigen Mutter sind?«
»Nein, natürlich nicht.«
Sie sahen sich einige Sekunden lang stumm an, beide davon durchdrungen, welche Folgen die sexuellen Bedürfnisse des Franziskaners gehabt hatten.
»Jimmy Davis hatte genügend Geld, um die Kinder zu unterhalten?«
»Er hatte eine Kunstsammlung, die wohl einen gewissen Wert hatte, wie Janet erzählte.«
»Jimmy Davis hat also eine Spur der Sorgen gezogen.«
Father Joseph rutschte unbehaglich auf seinem Stuhl hin und her und schnaubte laut. »Er hat zwei Kinder gezeugt. Die Frauen liebten ihn. Ich habe nie den Eindruck gehabt, dass sie bedauerten, was gewesen war. Er war ein liebevoller Mann. Ein guter Mensch. Aber er hätte niemals das Gelübde der Enthaltsamkeit ablegen dürfen. Dafür war er zu körperlich. Das sah man. Wenn er in der Stadt war, kam er mit Janet und den Kindern zusammen zur Messe. Frauen fühlten sich zu ihm hingezogen. Manche Männer haben das an sich. Und er fühlte sich zu Frauen hingezogen. Ich glaube nicht, dass er es bei zwei Affären belassen hat. Sein Herz spielte verrückt, wenn er einer schönen Frau begegnete, hat Janet erzählt. Und dieses Herz schlägt jetzt in Ihrem Körper. Ja, er hat Sorgen verursacht. Aber aus Liebe, Herr Kohn.«
Schwitzend stocherte Father Joseph in dem Stück Apfelkuchen, das inzwischen auf dem Tisch stand. Kohn erkundigte sich nach dem Ursprung seines Namens. Der Priester antwortete, seine Familie habe ursprünglich O’Henry geheißen, in Amerika sei dann das O gestrichen worden. Sein schottischer Großvater habe ein katholisches Mädchen geheiratet und seine Kinder katholisch erzogen. Er selbst sei schon früh »gerufen« worden, erzählte er, während er die letzten Krümel seines Kuchens mit dem Finger auf die Gabel schob.
Kohn wollte in sein Hotelzimmer, um sich den Inhalt des Umschlags anzuschauen. Er zahlte und begleitete Father Joseph zu dem Parkplatz, auf dem er sein Auto abgestellt hatte.
Es war ein milder Abend, und die Gehwege am Strip hatten sich mit jungen Leuten gefüllt. Der Verkehr auf dem Sunset Boulevard staute sich hoffnungslos. Es war verlockend, in diesem Freilufttheater aufzutreten und eine Rolle zu spielen. Den Verliebten. Den Verführerischen. Die Unberührbare. Die Angebetete. An diesem Ort schien das künstliche Licht heller zu strahlen, das Rot röter zu sein als sonst wo. Color by DeLuxe, ging es Kohn durch den Sinn, das hatte er regelmäßig im Abspann von Spielfilmen gelesen.
»Fehlt Ihnen das hier nicht?«, fragte er den Priester.
»Doch. Aber ich habe mich für etwas anderes entschieden«, antwortete Father Joseph.
»Jimmy Davis auch. Aber der hat sein Gelübde gebrochen.«
»Er war wohl schwächer als ich. Ich weiß es nicht. Vielleicht war er auch stärker. Er konnte mit seinen Schuldgefühlen leben. Das könnte ich nicht.«
»In der Kirche hat sich ja in den letzten Jahren gezeigt, dass das Zölibat nicht greift.«
»Es ist in der Tat schwer, ja«, bestätigte Father Joseph nickend.
Kohn fragte: »Beneiden Sie Jimmy Davis?«
Der Priester zwinkerte unsicher, wusste nicht gleich, wie er antworten sollte. Der Gehweg wurde von etwa zehn jungen Männern versperrt, einige davon mit Stiernacken und aufgepumptem Bizeps, die sich rauchend und laut lachend um drei junge Frauen geschart hatten. Kohn und Father Joseph warteten, dass man ihnen Platz machen würde. Doch die Männer dachten nicht daran, zur Seite zu gehen.
»Manchmal schon, ja«, bekannte Father Joseph. »Mir ist bewusst, dass mir vieles im Leben entgeht. Aber mir wird auch vieles gegeben.«
»Entschuldigung bitte«, sagte Kohn zu der Mauer aus breiten Rücken. Er wusste, was jetzt kommen würde.
Die Männer reagierten nicht.
Noch einmal sagte Kohn: »Entschuldigung bitte.«
Der am nächsten stehende Mann, unverkennbar ein emsiger Besucher des Fitnesscenters, warf Kohn einen irritierten Blick zu.
»Entschuldigung bitte«, sagte Kohn ein weiteres Mal und streckte die Hand aus, um zu signalisieren, in welche Richtung er wollte, und sich vorsichtig einen Weg zu bahnen.
Der Bodybuilder wehrte die Hand mit seiner Schulter ab.
»Würden Sie bitte so freundlich sein, uns kurz durchzulassen?«, sagte Kohn.
Der Bodybuilder machte eine wegwerfende Handbewegung und erwiderte: »Geht doch außen rum.« Dann drehte er Kohn
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