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Ein gutes Herz (German Edition)

Ein gutes Herz (German Edition)

Titel: Ein gutes Herz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leon de Winter
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das Haus bewachen sollen«, versuchte er, sie zu beruhigen.
    »So will ich nicht leben.«
    »Wie dann?«
    »Nicht so.«
    »Ich komme mit.«
    »Dann begibst du dich auch in Gefahr.«
    »Sonja, ich kenne Max von früher. Ich kannte ihn gut. Ich kann mit ihm reden. Es besteht keine Gefahr.«
    »Niemand kann mit ihm reden. Er hat ein kaltes Herz.«
    »Das Herz ist tot. Er hat jetzt ein anderes. Bist du nicht neugierig, was er von dir will?«
    »Wo er auftaucht, geschehen die übelsten Dinge.«
    »Du hast ihn vor elf Jahren verlassen. Menschen ändern sich.«
    »Es geht nicht.«
    »Warum denn nicht?«
    »Darum nicht. Ich gehe weg.«
    Leon sagte: »Ich weiß, warum er so ist.«
    »Das weiß ich auch. Er ist verrückt. Er ist wütend. Immer wütend.«
    »Ich weiß, wie es angefangen hat. Ich war dabei. Na ja, nicht ganz. Ein bisschen. Aber er hat es mir erzählt.«
    »Interessiert mich nicht. Ich gehe weg. Misch dich nicht ein.«
    »Wo gehst du hin?«
    »Weit weg. Wo es warm ist. Ich bin immer glücklich, wenn ich an einem Ort bin, an dem Palmen wachsen.«
    »Ich wollte dich hier glücklich machen.«
    »Es liegt nicht an dir. Du bist unschuldig.«
    »Vielen Dank. Fein. Der unschuldige Mann. Klingt ziemlich doof. Nicht gerade ein starker Titel für eine romantische Geschichte.«
    »Wenn man wie ich den schuldigen Mann kennt, ist das ein Kompliment. Aber ich gebe zu, dass es ein wenig nach dem Schlemihl in der Operette klingt.«
    Leon grinste. Dann sagte er: »Max hat jemanden ermordet, als er sechzehn war.«
    Sie erstarrte und drückte ein rotes T-Shirt an ihre Brust, als biete ihr das Schutz. »So jung schon«, sagte sie leise.
    »Ich habe ihn dafür bewundert«, sagte Leon.
    Sie drehte sich zu ihm um, bestürzt über seine Worte.
    »Bewundert?«
    »Ja, bewundert. Er hat getan, was ich gern getan hätte. Er hat den Strich gezogen, den ich nicht ziehen konnte. Obwohl, nein, ich hatte ihn auch gezogen. Jemand war zu weit gegangen. Also zog er seine Schlüsse. Ich auch. Aber ich tat nichts.«
    »Wovon sprichst du? Kannst du dich nicht klarer ausdrücken? Wer war das?«
    »Eine sechzigjährige Frau.«
    »Eine sechzigjährige Frau? Er hat eine sechzigjährige Frau ermordet?« Sie schrie jetzt. »Und das bewunderst du? Was ist nur los mit den Männern in meinem Leben? Seid ihr immer noch Jäger? Seid ihr meschugge?«
    Er löste sich vom Türrahmen und machte eine beschwichtigende Gebärde, aber sie wurde nur noch ärgerlicher. Als er sie in die Arme nehmen wollte, riss sie sich los.
    »Lass mich! Du bist verrückt! Genau wie er! Krank seid ihr!«
    »Frau Scholtens war das. So nannten wir sie. Frau Scholtens war für uns, die Kinder de Winter, ein Begriff. Meine Mutter hatte oft von ihr erzählt. Frau Scholtens war beim NSB . Aber sie hat auch Juden versteckt. Sie wollte sich nach beiden Seiten absichern. Meine Eltern waren bei ihr untergetaucht. Und auch Max’ Mutter und seine Großeltern.«
    Sonja nickte. Sie schien sich etwas zu beruhigen, obwohl sie immer noch keuchte. Nichts würde sie davon abhalten, erneut zu schreien, sagten ihm ihre Augen.
    Leon fuhr fort: »Meine Eltern haben bei ihr eine Zeitlang in der Hölle gelebt. Frau Scholtens gab nämlich Feste für deutsche Offiziere und Bonzen von der SS . Und dafür brauchte sie Personal zum Bedienen. Meine Eltern. Auf hundert Meter als Juden erkennbar. Vor allem meine Mutter sah sehr jüdisch aus.«
    Sonja fragte schnippisch: »Was soll das heißen, sehr jüdisch?« Sie kannte die Antwort.
    Leon antwortete: »So, wie du aussiehst. Ein Stammesmitglied. Dunkel. Im Blick die Erinnerung an eine tausendjährige Wanderung.«
    Sie wusste nicht, ob sie über diese Qualifikation glücklich sein sollte. Er hatte bestimmt recht, aber sie stellte das sofort in Frage: »Das siehst du mir an?«
    »Das sieht sogar ein Blinder.«
    »Was geschah auf diesen Festen?«
    »Meine Eltern mussten bedienen. In der Küche zitterten sie vor Angst. Vor allem mein Vater war dieser Anspannung nicht gewachsen, wie mir meine Mutter erzählt hat. Er musste sich zwischendrin übergeben. Meine Mutter versuchte, möglichst viel von den Häppchen zu stibitzen, denn ihnen gab Frau Scholtens nur verschimmeltes Brot zu essen. Sie quälte sie. Demütigte sie. Meine Eltern sind nach einiger Zeit von Widerstandsleuten dort weggeholt und in ein anderes Versteck gebracht worden.«
    »Und die Mutter von Max?«
    »Die auch. Sie war noch ein junges Mädchen. Esther Kohn. Sie hat mit ihren Eltern bei Frau Scholtens das

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