Ein gutes Omen
Teppich, über die Tische, über
Lisa Morrow und ihre Kollegen. Sie schoben sich in den Mund, in Nase und
Lungen. Sie bohrten sich in menschliches Fleisch, in Augen und Gehirne. Und
während sie fraßen, legten sie Eier, aus denen schon nach wenigen Sekunden neue
Maden schlüpften. Sie füllten den ganzen Raum mit einer feuchtglänzenden,
wogenden, stinkenden Masse. Kurze Zeit später flossen die zahllosen Würmer wieder zusammen und gerannen zu einer
einheitlichen Entität, die vom Boden bis zur Decke reichte und langsam
pulsierte.
Lippenartige
Wulste bildeten sich in dem vibrierenden Konglomerat, und eine Art Zunge
tastete zwischen ihnen hervor.
»Das tat gut«,
knurrte Hastur.
Die halbe
Stunde in Crowleys Anrufbeantworter – nur in Begleitung der aufgezeichneten
Nachricht Erziraphaels – hatte seine Stimmung nicht gerade verbessert.
Sie
verschlechterte sich noch ein wenig, als er daran dachte, daß er der Hölle
Bericht erstatten und erklären mußte, warum er nicht längst mit Crowley
zurückgekehrt war.
Satan hielt
nichts von Mitarbeitern, die im Außendienst versagten.
Andererseits:
Hastur wußte jetzt, worum es in Erziraphaels Nachricht ging. Vielleicht konnte
er mit diesen Informationen seine weitere Existenz gewährleisten.
Wie
dem auch sei, dachte Hastur. Wenigstens
brauche ich den möglichen Zorn des Finsteren Konzils nicht mit leerem Magen zu
ertragen.
Dichter schwefliger Rauch wehte durchs Zimmer, und als sich die
dunklen Schwaden lichteten, war Hastur verschwunden. Zurück blieben zehn
säuberlich abgenagte Skelette, einige Lachen aus geschmolzenem Plastik und
mehrere blanke Metallfragmente, die einst Teile von Telefonen gewesen sein
mochten. Als Zahntechniker meidet man gewisse Risiken …
Die positive
Seite dieses Zwischenfalls? Nun, er bewies, daß alles Böse den Keim des eigenen
Untergangs in sich trägt. Im ganzen Land gab es Hunderte von Leuten, die
normalerweise ein wenig verdrießlich geworden wären, weil man sie aus der Badewanne
holte oder ihre Namen falsch aussprach. Aber da ihnen störende Anrufe erspart
blieben, hegten sie keinen Groll gegen den Rest der Welt. Hasturs zügelloser
Appetit führte dazu, daß sich eine Welle aus niederfrequentem Guten exponential
in der Bevölkerung ausbreitete und Millionen von Menschen vor blauen Flecken an
der Seele schützte. Und das war in Ordnung.
Der Bentley war nicht
wiederzuerkennen. Er schien eine einzige große Beule zu sein. Einige
Glassplitter erinnerten an die Scheinwerfer, und alle vier Radkappen fehlten.
Er sah wie ein Veteran aus Hunderten von Crash-Rennen aus.
Man könnte hier
verschiedene Gründe anführen. Zum Beispiel das schlechte Pflaster, einige tiefe
Schlaglöcher, hohe Bordsteinkanten. Oder auch die recht schmale Fußgänger-Unterführung.
Als besonders schlimm erwies sich die Durchquerung der Themse. Glücklicherweise
drehte Crowley vorher die Fenster hoch.
Dennoch: Er
hatte es bis hierher geschafft.
Nur noch einige
hundert Meter trennten ihn von der M40, die eine hindernisfreie Fahrt bis nach
Oxfordshire in Aussicht stellte. Es gab jedoch ein letztes Problem. Um die
freie Autobahn zu erreichen, mußte er vorher die M25 passieren – ein kreischendes,
glühendes Band aus purem Schmerz und schwarzem Licht.* [* Hier handelt
es sich nicht um ein Oxymoron. Gemeint ist der Spektralbereich jenseits von
Ultraviolett. Die theoretische Bezeichnung lautet Infraschwarz. Ein einfaches
Experiment ermöglicht es jedem Interessierten, diese Farbe zu sehen. Man wähle
eine stabile Mauer, beziehe zehn Meter davor Aufstellung, senke den Kopf und
laufe los. Was man beim Aufprall sieht (unmittelbar nach dem ersten stechenden
Schmerz und kurz vor dem Tod) ist Infraschwarz.] Odegra. Nichts konnte das Symbol des Schreckens
lebend überqueren.
Zumindest
nichts Normalsterbliches. Crowley fragte sich, wie die gegenwärtige M25 auf
einen Dämon reagieren würde. Sie konnte ihn wohl kaum töten, aber vermutlich
durfte er mit keiner angenehmen Erfahrung rechnen.
Vor der
Überführung hatte die Polizei eine Straßensperre errichtet. Rußgeschwärzte
Wagen – einige von ihnen brannten noch immer – wiesen deutlich genug auf das
wenig beneidenswerte Schicksal einiger wagemutiger Autofahrer hin. Die
Polizisten wirkten nicht gerade glücklich.
Crowley
schaltete in den zweiten Gang und trat das Gaspedal bis zum Anschlag durch.
Er durchbrach
die Sperre mit sechzig Meilen. Das war der einfache Teil.
Überall in der
Welt sind Fälle spontaner
Weitere Kostenlose Bücher