Ein Hauch von Schnee und Asche
Köpfe über etwas zusammengesteckt, das wie eine Zeitung aussah.
»Was ist das denn?«, fragte ich und trat zu Brianna, um ihr über die Schulter zu blicken.
»Fergus’ Debüt.« Roger lächelte zu mir auf und schob die Zeitung so zur Seite, dass ich sie sehen konnte. »Er hat sie einem Händler mitgegeben, der sie bei Sinclair für Jamie abgegeben hat.«
»Wirklich? Das ist ja großartig!«
Ich reckte den Hals, um besser zu sehen, und wurde ganz aufgeregt, als ich die fette Überschrift über der Seite sah:
THE NEW BERN ONION
Dann sah ich genauer hin.
»Onion?« , sagte ich und kniff die Augen zusammen. »Die Zwiebel?«
»Nun ja, er erklärt es gleich«, sagte Roger und wies auf die schmuckvoll verzierten »Anmerkungen des Herausgebers« in der Mitte der Seite, deren Überschrift von zwei schwebenden Engelchen hochgehalten wurde. »Es hat etwas damit zu tun, dass Zwiebeln aus mehreren Schichten bestehen – Komplexität, nicht wahr? -, und damit … äh -«, sein Finger fuhr über die Zeile, »dass ›die Bissigkeit und Herzhaftigkeit des vernünftigen Diskurses hierin stets Anwendung finden sollen, zur umfassenden Information und zum Amüsement unserer Käufer und Leser‹.«
»Ich stelle fest, dass er einen Unterschied zwischen Käufern und Lesern macht«, merkte ich an. »Sehr französisch von ihm.«
»Nun ja«, pflichtete mir Roger bei. »Einige der Texte haben einen deutlichen gallischen Unterton, aber man kann auch sehen, dass Marsali mit Hand angelegt haben muss – und die meisten Anzeigen stammen natürlich von den Leuten, die sie aufgegeben haben.« Er wies auf einen kleinen Text mit der Überschrift Verloren: Ein Hut. Bei Fund in gutem Zustand, bitte zurück an den Unterzeichnenden, S. Gowdy, New Bern. Bei Fund in schlechtem Zustand, tragt ihn selbst.
Jamie kam mit seinem Rasiermesser gerade rechtzeitig, um das zu hören, und fiel in das allgemeine Gelächter ein. Er zeigte mit dem Finger auf einen anderen Text auf derselben Seite.
»Aye, das ist gut, aber ich finde die ›Dichterecke‹ am besten. Ich glaube nicht, das Fergus das gekonnt hätte; er hat kein Ohr für Reime – meint ihr, es war Marsali oder jemand anders?«
»Lies es laut vor«, bat Brianna und überließ Roger widerstrebend die Zeitung. »Besser, wenn ich Jemmy die Haare schneide, bevor er entwischt und überall in Fraser’s Ridge Läuse verteilt.«
Nachdem sie sich einmal in ihr Schicksal ergeben hatte, verlor Brianna keine Zeit mehr, sondern band Jemmy ein Geschirrhandtuch um den Hals
und machte sich entschlossen mit der Schere ans Werk, so dass ein schimmernder Regen rotgoldener und kastanienbrauner Strähnen zu Boden fiel. Unterdessen las Roger mit dramatischer Betonung:
Über den jüngsten Akt bezüglich
der Spirituosen etc. -
Sagt mir, ist es zu verstehn,
Dass dieser Akt dient aller Wohlergehn?
Nein, wahrlich; das leugn ich:
Denn ist es, wie alle erzählen,
Besser, das kleinere Übel zu wählen,
Sag ich, Recht hab ich.
Nehmt an – es könnt ja sein,
Zehn Tote gäb’s jahraus, jahrein,
Durch Überfluss an Alkohol.
Solln tausend Unschuldge der Not
Verfalln und leben ohne Brot,
Für solcher Narren tumbes Wohl?
Glaubt nicht, dass fördern ich die Sünde will;
Dass den Gin verteidigen ich will,
Doch seht es einmal so:
Der Plan, ist er auch gut gemeint,
Des Allmächtgen Recht verneint,
Glaub ich der Bibel froh.
Als Sodoms Sünd nach Rache schrie,
Durch zehn Gerechte kam das Schicksal nie,
Und Gott persönlich Mitleid hatt.
Doch nun sind die, die heimlich gern genießen,
Durch zehn Enthemmte scheinbar zu verdrießen,
Und ordern den Ruin der halben Stadt.
»Gin, soso«, wiederholte Brianna kichernd. »Man beachte, dass er – oder sie – kein Wort von Whisky sagt. Hoppla, halt still, Schätzchen!«
Jamie zog sein Rasiermesser zum Schärfen über den Lederriemen, während er über Rogers Schulter hinweg mitlas. »So, Junge, bis du so weit?« Ohne eine Antwort abzuwarten, griff er nach dem Rasierpinsel und seifte Jemmy von begeistertem Kreischen begleitet den Kopf ein.
»Barbier, Barbier, rasier ein Schwein«, dichtete Brianna, die ihm zusah. »Wie viele Haare müssen in einer Perücke sein?«
»Jede Menge«, erwiderte ich und fegte die zu Boden gefallenen Haarbüschel zusammen, um sie ins Feuer zu werfen, was hoffentlich sämtlichen darin hausenden Läusen den Garaus bereitete. Es war eine Schande; Jemmy
hatte wunderschönes Haar. Dennoch, es würde ja wieder wachsen – und der kurze
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