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Ein Hauch von Schnee und Asche

Ein Hauch von Schnee und Asche

Titel: Ein Hauch von Schnee und Asche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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abschätzenden grünen Augen. Er interessierte sich dafür, und ihr Inneres ballte sich zu einem Knoten zusammen, als sie das begriff.
    »Was hast du benutzt, Manny?«, fragte er.
    »Einen Holzlöffel«, sagte der Bedienstete gleichgültig. »Ihr habt gesagt, keine Spuren.«
    Bonnet nickte nachdenklich.
    »Nichts Bleibendes, habe ich gesagt«, korrigierte er. »Ich denke, für Mr. Ricasoli lassen wir sie so, wie sie ist, aber Mr. Houvener … nun, warten wir’s ab.«
    Emmanuel nickte nur, doch sein Blick ruhte mit plötzlichem Interesse auf Brianna. Ihr Magen kehrte spontan sein Innerstes nach außen, und sie übergab sich, bis das feine Seidenkleid rettungslos ruiniert war.
     
    Schrilles Wiehern drang zu ihr; wilde Pferde, die über den Strand tobten. Wäre dies ein Schnulzenroman, dachte sie grimmig, würde sie sich ein Seil aus der Bettwäsche knüpfen, sich aus dem Fenster abseilen, die Pferdeherde suchen und mit Hilfe ihrer mystischen Fähigkeiten eins der Tiere dazu bringen, sie davonzutragen.
    In Wirklichkeit jedoch gab es keine Bettwäsche – nur eine schäbige, mit Seegras gefüllte Matratze -, und was die Chance betraf, sich den Wildpferden auch nur auf eine Meile zu nähern … Sie hätte eine Menge darum gegeben, Gideon hier zu haben, und spürte, wie ihr bei dem Gedanken an ihn die Tränen kamen.
    »Oh, jetzt verlierst du aber echt den Verstand«, sagte sie laut und rieb sich die Augen. »Wegen eines Pferdes zu weinen. Noch dazu wegen dieses Pferdes.« Doch es war so viel besser, als an Roger zu denken – oder an Jem. Nein, an Jemmy durfte sie nun wirklich nicht denken, genauso wenig wie an die Möglichkeit, dass er ohne sie aufwachsen könnte, ohne zu wissen, warum sie ihn im Stich gelassen hatte. Oder an das neue Kind … und daran, wie das Leben wohl für das Kind einer Sklavin war.
    Aber sie dachte an sie, und dieser Gedanke reichte aus, um ihren Anflug von Verzweiflung zu überwinden.
    Nun gut. Sie würde von hier verschwinden. Vorzugsweise bevor Mr. Ricasoli und Mr. Houvener auftauchten, wer sie auch immer waren. Zum tausendsten Mal schritt sie rastlos durch das Zimmer und zwang sich, es langsam zu tun und sich dabei anzusehen, was ihr zur Verfügung stand.
    Verdammt wenig, und das, was da war, war stabil gebaut, lautete die entmutigende Antwort. Man hatte ihr etwas zu essen gegeben, Wasser zum Waschen, ein Leinenhandtuch und eine Haarbürste, um sich zurechtzumachen.
Sie hob sie auf, um ihr Potential als Waffe einzuschätzen, dann warf sie sie wieder hin.
    Der Schornstein verlief durch das Zimmer, das allerdings keinen offenen Kamin hatte. Sie stieß versuchsweise gegen die Ziegel und kratzte mit dem Stiel des Löffels, den man ihr zum Essen gegeben hatte, am Mörtel herum. Sie fand eine Stelle, an der der Mörtel so aufgeplatzt war, dass sie weiter kratzen konnte, doch nach einer Viertelstunde war es ihr nur gelungen, ein paar Zentimeter Mörtel zu lösen; der Ziegelstein selbst war nach wie vor unverrückbar an seinem Platz. Es war vielleicht den Versuch wert, wenn man einen Monat Zeit hatte – obwohl die Chancen, dass sich jemand von ihrer Größe durch einen Kamin aus dem achtzehnten Jahrhundert zwängte …
    Es würde bald regnen; sie hörte das aufgeregte Rattern der Palmwedel im Wind, der scharf nach Regen roch. Es dauerte zwar noch eine Weile bis zum Sonnenuntergang, doch die Wolken hatten den Himmel verdunkelt, so dass das Licht im Zimmer nachließ. Sie hatte keine Kerze; niemand ging davon aus, dass sie lesen oder nähen würde.
    Sie warf sich zum dutzendsten Mal mit ihrem ganzen Gewicht gegen die Gitterstäbe des Fensters, und zum dutzendsten Mal stellte sie fest, dass sie solide eingemauert und unnachgiebig waren. Im Lauf eines Monats würde sie es womöglich auch fertig bringen, das Ende des Löffelstiels anzuspitzen, indem sie ihn an den Ziegeln des Schornsteins schliff, und ihn dann als Meißel zu benutzen, um den Rahmen so weit zu bearbeiten, dass sie einen oder zwei Stäbe herausnehmen konnte. Doch sie hatte keinen Monat.
    Sie hatten ihr das ruinierte Kleid abgenommen und sie in Hemd und Korsett zurückgelassen. Nun, das war wenigstens etwas. Sie zog sich das Korsett aus, löste das Ende der Naht und zog das etwa dreißig Zentimeter lange Elfenbeinstäbchen heraus, das ihr vom Brustbein bis zum Nabel reichte. Eine bessere Waffe als eine Bürste, dachte sie. Sie ging damit zum Kamin und begann, mit dem Ende über den Ziegel zu feilen, um es anzuspitzen.
    Konnte sie damit auf

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