Ein Hauch von Seide - Roman
meine Schuld ist«, fügte sie niedergeschlagen hinzu.
»Was es natürlich nicht ist«, versicherte Jay ihr.
»O doch«, beharrte Amber. »Als ich erfuhr, dass ich mit ihr schwanger war, wollte ich sie schließlich zuerst nicht. Und irgendwie bin ich überzeugt, dass sie das weiß, obwohl ich sie danach – und lange, bevor sie auf die Welt kam – unbedingt haben wollte.«
Jay griff nach ihren Händen und hielt sie fest. »Du warst und bist eine wunderbare Mutter, Amber.«
»Das sieht Emerald aber anders. Sie hat mich nie für eine gute Mutter gehalten. Es muss schrecklich gewesen sein für sie, dass ich für sie als Neugeborene nicht da war.«
»Du warst nicht für sie da, weil du sehr krank warst und um dein Leben gekämpft hast. Bitte hör auf, dich mit dummen Gedanken zu quälen, meine Liebe. Emerald ist eine sehr selbstsüchtige und willensstarke junge Frau.«
»Sie ist so jung, Jay, und ich kann nicht umhin zu denken, dass sie Alessandro geheiratet hat, weil … weil sie jemanden gewollt hat, der sie liebt, weil sie sich verletzlich fühlt.«
Jay schüttelte den Kopf. »Emerald, verletzlich? Es ist nur natürlich, dass du dir Sorgen um sie machst, aber ich lasse nicht zu, dass du dir die Schuld dafür gibst, dass Emerald so halsstarrig ist und tut, was sie will, ohne Rücksicht auf die Gefühle anderer.«
»Ich kann nicht anders, Jay. Ich wünschte nur, sie hätte etwas gesagt, hätte zuerst mit uns darüber geredet, sich mir anvertraut. Ich weiß wirklich nicht, ob ich meine Enttäuschung verbergen kann.«
20
Als Rose an einem Samstag im Frühsommer kurz vor der Mittagszeit hereinschneite, herrschte im Salon hektisches Treiben, Kunden und Friseure wuselten zur Musik herum, während Auszubildende herumhasteten und Haare wuschen, Kaffee herbeizauberten und aufkehrten.
»Sieht aus, als liefe das Geschäft«, sagte sie zu Josh und reichte ihm das Sandwich, das sie ihm mitgebracht hatte. »Keine Sorge, es ist koscher«, schimpfte sie, als er es aufschlug und hineinschaute.
»Ich sorge mich nicht darum, ob es koscher ist, ich will nur wissen, ob ich für mein Geld auch was Anständiges kriege«, neckte er sie mit dick aufgetragenem jiddischem Akzent. »Ich habe gelesen, dass deine Cousine geheiratet hat.«
Rose antwortete mit einem gezwungenen Lächeln. Sie redete nicht gern über Emerald, war sie sich deren Geringschätzung und Feindseligkeit doch stets bewusst. »Also, es ist auf jeden Fall eine Überraschung. So wie ich Emerald kenne, wäre ich jede Wette eingegangen, dass sie eine riesige Hochzeit feiern würde.«
»Wenn sie zwischen dem gesellschaftsfähigen Gemahl und der gesellschaftsfähigen Hochzeit wählen musste, hat sie vielleicht gedacht, es wäre besser, sich den Mann zu schnappen«, meinte Josh, womit er mehr Bewusstsein für die Situation an den Tag legte, als Rose ihm zugestanden hätte.
»Emerald wollte auf jeden Fall eine gute Partie machen«, fühlte sie sich verpflichtet, ihm zuzustimmen.
»Na, mit dem Prinz ist ihr das ja gelungen.« Josh grinste. »Bedeutet das, dass du jetzt vor ihr knicksen musst?«
»Niemals!« Roses Antwort kam so schnell und bitter herausgeschossen, dass beide überrascht waren. Josh runzelte die Stirn, und Rose wurde rot und wandte den Blick ab.
»Es tut mir leid«, entschuldigte sie sich mit angespannter Stimme. »Aber Emerald und ich sind nie besonders gut miteinander zurechtgekommen. Schon als Kinder hat sie jedem erzählt, ihr Vater wäre ein Herzog, während meiner …«
»Während deiner?«, hakte Josh nach, als sie verstummte.
»Während meiner ein Alkoholiker und Dieb war – die Worte meiner Urgroßmutter, nicht meine. Aber wenn es dir nichts ausmacht, würde ich lieber nicht darüber reden.«
Josh zuckte leicht die Achseln. »Nein, das macht mir nichts. Ich möchte nicht neugierig sein.«
Hatte sie ihn gekränkt? Rose warf ihm einen raschen Blick zu. Manchmal war Josh so offen, dass ihm seine Gedanken förmlich ins Gesicht geschrieben standen, und bei anderer Gelegenheit war es schwer zu sagen, was er gerade empfand. Sie wollte ihn nicht kränken. Er war ein guter Freund, er brachte sie zum Lachen, und wenn sie mit ihm zusammen war, vergaß sie all die Dinge, über die nachzudenken ihr unerträglich war. Wie John und das Undenkbare, das hätte geschehen können. Sie hatte immer noch Alpträume über die fast hämische Grausamkeit in Lady Fitton Leghs Gesicht, als sie sie vor der schweren Sünde gewarnt hatte, die sie womöglich
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