Ein Highlander zu Weihnachten
hätte er jetzt für eine Streckbank hergegeben. Schon allein der Anblick dieser Vorrichtung würde ihr sicherlich die Zunge lösen und sie ihm gehorsam machen.
»Mister, ich habe mörderische Kopfschmerzen. Ich brauche was zu essen, und vor allem brauche ich einen Kaffee. Haben Sie etwas dagegen? Ich meine, etwas zu essen, bevor wir uns weiter den Kopf darüber zerbrechen, wie wir Sie dahin zurückschaffen, wo Sie hingehören? Wo immer das zum Teufel sein mag.«
Ohne eine Antwort abzuwarten, schob sich die Hexe an ihm vorbei. Sie knurrte: »Das Fell könnte ich dir abziehen, Tavish MacLean! Das schwöre ich bei Gott.«
Claire nahm Eier, Kaffee und Schinken aus dem Kühlschrank und holte aus den Schubladen die nötigen Utensilien. Sie behielt den Highlander zur Vorsicht im Auge, als er die Schnur zerschnitt, mit der die Zeitung um seine Füße gebunden war.
Wie ungeheuer groß er war, sogar wenn er, wie jetzt, am Boden kniete.
Plötzlich knurrte sein Magen, und dieses Geräusch machte ihn etwas menschlicher. Claire zeigte auf einen weißen Mülleimer. »Tun Sie das Papier da hinein, und dann setzen Sie sich hin, ich mache uns was zu essen.«
»Der Kuchen tät’s doch auch.«
»Das möchte ich ernstlich bezweifeln.«
Zu Hause war sie schon als Heranwachsende für die Abendmahlzeiten der Familie verantwortlich gewesen und hantierte jetzt geübt mit Schüsseln und Pfannen, während er stumm neben ihr stand und jede ihrer Bewegungen verfolgte. Hielt er sie im Ernst für so dumm, ihn nur mit einem Küchenmesser bewaffnet anzugreifen? Ein Lidschlag, und er hätte es ihr aus der Hand gewunden und ihr auch noch das Gelenk gebrochen.
Sie musste ihn mehrere Minuten lang wie Luft behandeln, ehe er sich endlich mit einem Achselzucken auf dem ihm zugewiesenen Platz niederließ.
Als er sich nun etwas entspannte, fühlte auch sie sich erleichtert und zusätzlich beruhigt von der häuslichen Routine. Sie machte den Herd an. In dem Moment, als die blaue Gasflamme unter der Pfanne aufzüngelte, hörte sie ihn nach Luft schnappen und sah sich um – er machte ein finsteres Gesicht.
»Das ist ein Gasherd. Man dreht an einem Knopf und hat sofort Feuer. So ein Ding hat jeder. Ist nichts Besonderes.«
Er sah nicht ganz überzeugt aus.
Der dick geschnittene Räucherschinken, den sie bei Faneuil gekauft hatte, fing an zu brutzeln und erfüllte den ganzen Raum mit seinem appetitlichen Duft. »Wie möchten Sie Ihr Ei?«
»Gekocht.«
Sie seufzte. »Es gibt Rührei.«
Einige Minuten später trug sie das Frühstück auf, gab ihm Besteck und nahm ihm gegenüber Platz. »Langen Sie zu.«
Sie schluckte schon den zweiten Bissen hinunter, als sie aufblickte und überrascht bemerkte, dass Cameron ihr untätig zusah. »Mögen Sie kein Rührei mit Schinken?«
»Doch, schon.« Er senkte den Blick, murmelte etwas auf Gälisch, nahm seine Gabel, prüfte sie von allen Seiten und fing dann schnell und begierig zu essen an. Tischmanieren, naja. Einen Augenblick später murmelte er: »Das ist sehr lecker.«
»Danke. Sie hatten Angst, ich würde Sie vergiften, stimmt’s?«
Er unterdrückte ein Grinsen. »Derartiges wäre mir nie in den Sinn gekommen.«
»Tja.« Sie lächelte. Es fühlte sich an wie das erste Mal seit Tagen.
Nachdem sie auf diese Weise zu einer Art Waffenstillstand gelangt waren, aßen sie in einträchtiger Stille.
Als sie aufgegessen hatten, stand sie auf und schenkte ihm und sich Kaffee nach. Dann setzte sie sich wieder und starrte ihn an.
Der Mann hatte wohl die schönsten Augen, die sie je gesehen hatte. Umrahmt von dichten, seidigen Wimpern, hatten sie die Farbe von Delfter Porzellan. Dunkelblau mit silberweißen Sprenkeln. Und sein kantiger Kiefer, sein Kinn … ein Filmstar hätte er sein können. Die Muskeln seiner Schultern und Arme bewegten sich geschmeidig, als er den Kaffeebecher an seine fein geschwungenen Lippen hob, und in ihrem Bauch flammte etwas Warmes auf. Oh ja, ihr Gegenüber war ganz entschieden aus dem Stoff, aus dem Träume sind.
Ohne auch nur von seinem Teller aufzublicken, sagte er: »Du guckst mich an, als hättest du noch nie einen Mann gesehen, Mädchen.«
»Das kommt daher, weil ich noch nie einen Mann wie Sie gesehen habe.«
»Highlander sind wohl selten hierzulande?«
»Ja.« Deine Sorte auf jeden Fall.
Er schien darüber eine Weile nachzudenken und fragte dann: »Wo ist dein Ehemann?«
Sie richtete sich auf. Seine Frage war wie ein kalter Wasserguss und schreckte sie aus ihren
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