Ein Himmel voller Sterne
operiert haben musste, war klar. Sie hatte schon den Verband ertastet. Und ihre Schulter war bandagiert, sie konnte sich kaum bewegen. Dass sie Schmerzmittel bekam, war auch logisch – die Infusionsflaschen sprachen dafür.
„Keine Angst, es ist nicht allzu schlimm“, meinte Andreas beruhigend. „Wir mussten dir die Milz entfernen. Außerdem hast du das Schlüsselbein angebrochen und ein paar Prellungen. Nicht dramatisch, aber leider schmerzhaft.“
„Die Milz … man braucht sie nicht, oder?“
„Nein, nicht unbedingt. Aber weil sie so stark durchblutet ist und bei einer Verletzung gravierenden Blutverlust verursacht, haben wir das Organ rausgenommen.“ Er lächelte aufmunternd. „Glaub mir, ich liebe dich auch ohne Milz.“
„Tröstlich.“ Ein kleines Lächeln, das noch nicht ihre Augen errichte, glitt über das blasse Gesicht. „Ich bin wahnsinnig müde. Bleibst du noch ein bisschen?“
„Aber ja. Schlaf dich ruhig aus. Das sind die Nachwirkungen der Narkose.“ Er küsste sie liebevoll. „Ich soll dich übrigens von allen grüßen. Drüben stehen schon Blumen von Karsten Korten-Ryhoff. Er wünscht im Namen des ganzen Teams gute Besserung.“
Annette wandte kurz den Kopf und sah den herrlichen Strauß verschiedenfarbener Rosen auf einem kleinen Tisch am Fenster stehen. Dann fielen ihr die Augen wieder zu.
+ + +
Das hätte mir nie, niemals im Leben passieren dürfen! Bettina stand vor dem Spiegel und sah sich an. „Du blöde, leichtsinnige Kuh! Wie konntest du nur! Mit diesem eitlen Egozentriker! Das war Wasser auf seine Mühlen!“ Tränen schimmerten in ihren Augen. Sie durfte sich gar nicht vorstellen, dass Karsten jetzt vielleicht über sie lachte. Eine neue Trophäe in seiner Sammlung – das hatte sie nie werden wollen.
Aber es war passiert. „Und es war schön. Verdammt schön!“ Sie warf das Haar in den Nacken. „Egal. Wir sind erwachsen. Wir hatten unseren Spaß – und vergessen die ganze Sache. Das ist am besten. Für beide.“
Ein sehr guter Vorsatz. Doch leider nicht so einfach zu realisieren. Als sie Karstens Suite verlassen wollte, war er ihr nachgekommen und hatte sie wieder in den Arm nehmen wollen. „Bleib bei mir“, hatte er gesagt. „Ich will jetzt nicht allein sein.“ Das war ihr irgendwie bekannt vorgekommen. Hatte das nicht Richard Gere in „Pretty Woman“ zu Julia Roberts gesagt?
Natürlich war das ein Zufall, hatte gar nichts zu bedeuten. Und doch … irgendwie kamen diese Sätze gar nicht gut. Waren Frustfördernd. Und so war sie ohne ein weiteres Wort in der Morgendämmerung gegangen.
Jetzt stand sie in ihrem eigenen Hotelzimmer, sah sich an – und begann zu heulen. Na, das fehlte gerade noch! Das war wirklich kein Kerl der Welt wert!
Beim Frühstück herrschte heitere Stimmung. Das Team war gut drauf, niemand schien zu merken, dass die junge Fotografin still und in sich gekehrt wirkte.
Kaum hatten sie die Arbeit wieder aufgenommen – diesmal in Kampen, wo Bettina durch Bekannte ein wunderbares Haus als Kulisse hatte mieten können – erschien Karsten.
„Ich wollte mir verabschieden“, sagte er und wirkte höchst gestresst, so dass niemand auch nur den Versuch machte, das Wort an ihn zu richten. „Ihr kommt ja zurecht.“ Keinen Blick hatte er für Bettina. Zumindest nicht, solange er sich beobachtet glaubte.
Bettina zuckte nur mit den Schultern und widmete sich intensiv einer besonders komplizierten Einstellung …
Gegen Mittag zogen wieder Sturmwolken auf, sie verlegten das Shooting ins Haus. Doch wirklich zufrieden war Bettina mit diesen Einstellungen nicht.
„Wir machen Schluss für heute“, erklärte sie. „Ruht euch aus. Oder geht was Gutes essen.“
„Essen!“ Marie-Claire schüttelte lachend den Kopf. „Du weißt doch, dass die Mädchen nur Grünfutter zu sich nehmen.“
„Ist ja gar nicht wahr!“ Carina schüttelte den Kopf. „Du solltest nicht solche Klischees in die Welt setzen, man könnte dir glatt glauben.“
„Wenn man dich so ansieht …“ Marie-Claire lachte. Sie wusste genau, dass Carina über einen außergewöhnlich großen Appetit verfügte. Und viel essen konnte, oder zuzunehmen. Das war allerdings eine Seltenheit, die meisten Models mussten strikt Diät halten.
„Also – Fisch satt für alle. Dazu einen trockenen Chablis … von mir aus kanns auch morgen noch regnen“, meinte Carina.
„Lieber nicht, sonst kommen wir in Verzug. Und kriegen nie wieder einen Auftrag von KORY-Moden.“ Marie-Claire
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