Ein Himmel voller Sterne
offensichtlich ausreichte, wenn er ihr ein Kreislauf stärkendes Mittel injizierte. Oder sollte er ihr den Magen auspumpen? Zur Abschreckung? Ihre Augenlider flatterten, und sofort versuchte er sie aufzurichten.
„Kommen Sie mit ins Bad! Sie müssen das Zeug wieder aus dem Körper kriegen!“, sagte er energisch.
„Lass … lassen Sie mich!“ Sie drehte den Kopf zur Seite.
„Nein! Los jetzt, sonst nimmt der Notarzt Sie mit, man pumpt Ihnen den Magen aus – und dann landen Sie in der Psychiatrie, wie alle Suizidgefährdeten.“
Diesen Schock wollte er Elaine ganz bewusst versetzen.
„Ich … ich will nicht mehr …“
„Was wollen Sie nicht mehr? Nicht mehr leben? Warum nicht? Weil Sie mal nicht das gekriegt haben, was Sie wollten? Oder können Sie den Modelstress nicht mehr ertragen? Dann sollten Sie den Job schmeißen.“ Er sprach mit Absicht so energisch, um sie aus ihrer Lethargie zu reißen.
„So, und jetzt auf!“ Fast gewaltsam führte er sie ins Bad, zwang sie zu erbrechen – was Elaines zarten Körper total erschöpfte. Matt und fast wieder ohne Besinnung hing sie in seinen Armen. Aber der Arzt war unerbittlich. Wenn er ihr helfen wollte, musste er sie zwingen, wach zu bleiben. Und so führte er sie Meter für Meter durch die Räume – bis der Notarzt erschien.
„Ich übernehme“, erklärte er kühl. „Suizidversuch?“
„Ja, aber es war wohl nur Show“, erwiderte Dr. Fabian. „Es tut mir leid, aber wir hätten Sie gar nicht bemühen müssen.“
„Das sehe ich anders.“ Der Kollege bat Elaine, sich zu legen und nahm eine weitere Untersuchung vor. Aber es bestätigte sich rasch, was Dr. Fabian gesagt hatte: Die Tablettendosis war zu gering gewesen, um Elaine wirklich zu gefährden.
„Wir brauchen Sie nicht mal mit in die Klinik zu nehmen“, erklärte der Notarzt. „Da liegen Menschen, die wirklich krank sind und sich nicht aus Langeweile einen Tablettencocktail einwerfen.“ Man merkte mehr als deutlich, dass er für Elaines Kurzschlusshandlung nicht das geringste Verständnis hatte. „Das wird allerdings noch Konsequenzen nach sich ziehen“, meinte er, bevor er Andreas Fabian verabschiedend zunickte und sich mit den beiden Sanitätern, die ihn begleitet hatten, wieder zurückzog.
Elaine lag, diesmal nicht mehr malerisch, auf dem breiten Bett und weinte leise vor sich hin. Auf einmal hatte Andreas Fabian Mitleid mit ihr. Sie war zwar schön und reich, wurde umschwärmt und war sicher einer der Stars der Modeszene – aber tief im Innern war sie einsam.
Behutsam deckte er das Seidenlaken über die dünne Gestalt. „Schlafen Sie. Das ist jetzt am besten.“
„Nicht … bitte nicht gehen!“ Fast flehend sah sie ihn an. „Ich … ich bin doch so unglücklich!“
Andreas seufzte unterdrückt auf. Aber er setzte sich auf den Bettrand und nahm ihre Hände, hielt sie fest. „Was ist denn los?“
„Ich … ich will nicht mehr.“ Elaine schluchzte wieder, und der Mann fragte sich, ob sie sich nun gerade als Schauspielerin versuchte oder wirklich verzweifelt war. Er vermutete letzteres, denn nach dem gewaltsamen Erbrechen der Schlaftabletten, nach all den Aufregungen war sie bestimmt nicht in der Lage, jetzt noch die große Show abzuziehen.
„Ich … ich liebe Karsten. Aber er will mich nicht.“ Wieder ein lautes Aufweinen.
„Man kann niemanden zur Liebe zwingen. Das wissen Sie doch. Aber jetzt müssen Sie schlafen, morgen können wir weiter reden.“
„Versprochen?“ Eine Kinderstimme schien sie auf einmal zu haben.
„Versprochen.“ Noch ein letzter fester Händedruck, dann verließ Dr. Fabian aufseufzend das elegante Zimmer.
+ + +
„Nun sei doch nicht so stur, Bettina!“ Kopfschüttelnd sah James zu der Fotografin hin, die mit starrem Gesichtsausdruck aus dem Zugfenster schaute. Draußen klatschte Regen gegen die Fenster, man konnte von Sylt, das hinter ihnen zurückblieb, gar nichts mehr erkennen. „Dein Karsten ist eifersüchtig, das ist alles.“
„Er ist nicht mein Karsten!“
„Ja, doch. Friss mich nicht gleich.“
Bettina biss sich auf die Lippen. Sie war todtraurig, aber auch wütend und verletzt. Wenn Karsten sie so wenig kannte, so wenig Vertrauen in sie hatte … wie sollte ihre Beziehung dann funktionieren?
„Gib’s auf, James“, bat sie leise, „es hat keinen Sinn. Das hätte ich von Anfang an wissen müssen.“
„Und was wird jetzt?“
„Übermorgen fliege ich nach Dresden.“
„Ein neuer Auftrag?“
„Nein.“ Bettina
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