Ein Hippie-Traum
sein Handwerk wirklich verstand, hätte seinen Tod verhindern können, das weiß ich. Er steckte so voll Leben. Es war nicht richtig. Ich spielte mich durchdieses erste Konzert, und am Ende brachte ich »Old Man« für Ben. Ich blickte nach rechts, und irgendwo war er, aber nicht mehr an meiner Seite.
I m Januar 1971 war ich auf einer Solotournee durch Kanada und ein paar US -Städte. In Vancouver hatte sie angefangen. Joni Mitchell schickte mir eine Mütze, die sie für mich gemacht hatte. Es war eine schöne Strickmütze aus Wolle in weichen Erdtönen, und vornedran hing eine Muschel. Ich spürte die Liebe, die darin eingegangen war. Ich trug sie oft auf dieser Tour. Ich nahm damals ein Schmerzmittel gegen meine Rückenbeschwerden und entspannte mich zusätzlich mit Michelob-Bier. Meine Bandage hatte ich immer um, und nachts und morgens hatte ich Schmerzen von dem Bandscheibenvorfall, aber sie waren auszuhalten. Das Konzert in Vancouver lief gut, und danach flogen wir nach Edmonton oder Regina. Ich weiß noch, dass an sämtlichen Parkplätzen vor der Halle Pfosten mit elektrischen Anschlüssen für Standheizungen waren, damit den Leuten während des Konzerts nicht der Motor einfror. Als Nächstes kam Winnipeg, aber meine Mutter war zu dem Zeitpunkt in Florida. Sie wäre gekommen, wenn sie da gewesen wäre, und hätte es stolz ihren ganzen Freundinnen erzählt. Bei dem Konzert dort lernte ich eine Frau namens Nancy Eaton kennen. Der Familie Eaton gehört eine große kanadische Kaufhauskette. (Ein Verwandter von ihr hatte die Mynah Birds gesponsert, als ich dort mitspielte.) Nancy und ich mochten uns, machten uns einen schönen Abend und verabredeten, uns an einer der nächsten Stationen wiederzusehen.
Als Nächstes war die Massey Hall in Toronto dran. Das war der größte Gig. Ein echtes Heimspiel. Als ich auf die Bühne kam, wurde es richtig laut im Saal. Das Gefühl war unvergleichlich. In dieser Stadt hatte ich in Coles Bookstore gearbeitet, bei den Hootenannys im Riverboat gespielt, in meiner kleinen Bude in der Isabella Streetgewohnt und Songs geschrieben, die Schule besucht, die Scheidung meiner Eltern miterlebt, Platten von Roy Orbison gekauft, Zeitungen zugestellt. Es war einer der ganz großen Momente in meinem Leben.
Mein Dad kam zum ersten Konzert um halb sieben, das wir zusätzlich gaben, weil das ursprünglich angesetzte Konzert ausverkauft war. Ich sah ihn, und wir unterhielten uns kurz. Er meinte, die Situation wäre ganz anders als bei meinem letzten Mal in Toronto. Ich dachte daran, wie ich bei Coles gearbeitet und in meiner kleinen Wohnung in der Huron Street jeden Abend Makkaroni gegessen hatte, wie beklommen ich bei ihm zu Hause gewesen war, als ich zum ersten Mal aus dem Westen nach Toronto kam, und wie er mir geholfen hatte, einen Probenraum für meine Band zu finden, und ich gab ihm recht. Es war schön, ihn zu sehen nach so langer Zeit. Auf der Bühne gab ich alles.
Briggs lebte zu der Zeit in Toronto und hatte ein Studio eröffnet, das sich Thunder Sound nannte. Er nahm das Massey-Hall-Konzert auf. Er fand, diesen Live-Auftritt hätte man sofort herausbringen müssen, und war von meiner Entscheidung enttäuscht, stattdessen Harvest zu veröffentlichen – seiner Meinung nach waren die Massey-Hall-Aufnahmen besser.
»Es ist geil, Neil«, sagte Briggs. »Bring’s raus.« Doch daraus wurde nichts.
Ankündigung des zusätzlichen Konzerts in der Massey Hall 1971 im Toronto Star .
Als ich mir vierunddreißig Jahre später beim Durchhören von Bändern für meine Archives -Serie das Konzert anhörte, war ich ein bisschen geschockt – ich stimmte David zu. Auf einmal konnte ich seine Enttäuschung nachempfinden. Es war besser als Harvest. Es hatte mehr zu sagen. Er hatte recht gehabt. Ich hatte es nicht gemerkt. Er hatte es erkannt. David hatte meistens recht, und wenn ich ihm widersprach, lag ich in der Regel falsch. Wenn ich ins Studio gehe oder auf die Bühne, fehlt er mir jedes Mal.
N ach Toronto ging’s in die Staaten, ich spielte in Stratford, Connecticut, im Shakespeare Theatre, und die letzte Station war Nashville, wo ich im Fernsehen in der Johnny-Cash-Show war. Es war eine Gelegenheit, neben den Kollegen aufzutreten, aber ich fand, ich war nicht so gut, wie ich hätte sein können, warum auch immer. Ich spielte »Journey Through the Past« auf dem Klavier. Am Klavier bin ich nicht so besonders. Vielleicht hätte ich mir etwas anderes aussuchen sollen, etwas mit Gitarre. Aber
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