Ein Hippie-Traum
wir mit Buffalo Springfield zusammen mit den Beach Boys quer durch Florida tourten, drei Shows am Tag in verschiedenen Städten. Dennis und ich waren ziemlich gute Freunde geworden. Ich wollte ihm ein paar neue Songs zeigen. Dennis hatte damals ein schmuckes Haus auf dem Sunset Boulevard in der Nähe von Pacific Palisades – die ehemalige Villa von Will Rogers, eingeschossig, mit einem großen Hauptraum und einem riesigem Pool, ein sehr geschmackvoller und wirklich beeindruckender Bau mit einem geräumigen Empfangszimmer und einem herrlichen alten Kamin darin. Ich schätze die alte spanische Architektur in der Gegend um Los Angeles wirklich sehr, weil sieKunst ist und die alten Hollywood-Zeiten und ihre Kultur widerspiegelt. Es muss großartig gewesen sein, diese Jahre mitzuerleben.
Als ich jedenfalls zu Dennis kam, hatte er drei oder vier Mädchen bei sich, die alle irgendwie distanziert wirkten. Sie hatten etwas Gleichgültiges an sich. Sie waren nicht wie die Mädchen, die ich in Hollywood oder Topanga kennengelernt hatte, und auch nicht wie die von irgendwo anders. Es waren Tramperinnen, die er irgendwo unterwegs aufgelesen hatte. Es ging ein ziemlich intensiver Vibe von ihnen aus, und ich fand sie nicht attraktiv. Nach einer Weile kam ein Typ rein, schnappte sich meine Gitarre und spielte darauf einen Song nach dem anderen. Er hieß Charlie, war ein Freund der Mädchen und jetzt auch von Dennis. Seine Songs waren Stegreif-Stücke, die er sich während des Spielens ausdachte, man hörte dasselbe Stück niemals zweimal gleich. Ein bisschen so wie Dylan, aber auch wieder anders, weil man nur schwer eine richtige Botschaft heraushören konnte, aber die Songs zogen einen in ihren Bann. Er war echt nicht übel.
Ich fragte ihn, ob er schon einen Plattenvertrag hätte. Noch nicht, meinte er, aber er wolle gern Platten aufnehmen. Ich erzählte Mo Ostin bei Reprise von ihm und empfahl den Leuten dort, ihn einmal unter die Lupe zu nehmen. Terry Melcher hat damals einige sehr einflussreiche Hit-Platten produziert. Offenbar hat er sich Charlie damals angesehen, dann aber doch die Finger von ihm gelassen.
Kurz darauf geschahen die Sharon-Tate- und LaBianca-Morde, und plötzlich war der Name Charlie Manson in aller Munde. Wir konnten es nicht fassen, dass wir mit ihm zusammen gespielt hatten. Diese grausigen Morde geschahen in dem Haus, aus dem Terry Melcher erst kurz zuvor ausgezogen war. Sharon Tate war die neue Mieterin und gerade erst eingezogen.
Ich und Jonathan Demme, 2012.
14. Kapitel
14. Kapitel
Ein paar Gedanken …
I rgendwer hat mir mal erzählt, die Entstehung des Instituts für Technologie in Massachusetts hätte mit einer Eisenbahnplatte begonnen. Wenn das stimmen würde, ich könnte es verstehen. Es stimmt natürlich nicht. Ich habe es so lange geglaubt, bis ich es einmal gegoogelt habe und die wahre Entstehungsgeschichte erfuhr, aber es leuchtete mir trotzdem ein. Fast jede Art von Technologie hat Wurzeln im theoretischen oder praktischen Bereich des Eisenbahnwesens. Als ich das heutige Bedienungs- und Klangsystem von Lionel zu entwickeln begann, packte es mich. Es gibt so viele Möglichkeiten, die Aktionen und Klänge eines Apparats wie so einer Lokomotive zu gestalten, schier unendlich viele, und diese Komplexität wirkt auf mich wie eine Droge. So hat zum Beispiel jeder mechanische Vorgang einen Klang, und jeder dieser Klänge kann variiert werden. Jede Variation erfordert einen Algorithmus auf der Basis eines mechanischen Vorgangs, und zu jedem Vorgang wird ein variabler Kontrollmechanismus und ein Sensor benötigt, der Positionen überprüft oder voraussagt, womöglich auf der Grundlage anderer beweglicher Teile der Anlage. So etwas wirkt bei mir wie ein Aufputschmittel. Das fasziniert mich, die vielen Möglichkeiten dabei. Jeder Klang muss so aufgenommen werden, dass er durch einen Algorithmus auf der Basis eines mechanischen Vorgangs oder durch den Bediener variiert werden kann. Ihr seht, wie ich mich da reinsteigern kann.
Am Ende kommt dabei Musik heraus.
Ich lasse diese Projekte immer irgendwann ruhen und mache wieder Musik. Dazu gebrauche ich einen ganz anderen Teil meines Gehirns, und immer wenn ich Musik mache, habe ich das Gefühl, ich massiere meine Seele. Die angesprochenen Sinne und die Gefühle, die durch die Texte, die Melodien und das Spielen der Instrumente in wechselseitiger Reaktion mit anderen Musikern hervorgerufen werden, sind dabei sehr ähnlich und gleichzeitig völlig
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