Ein Hoffnungsstern am Himmel Roman
hin und her geflogen hast, Dan«, sagte Murphy und blickte dann Estella an. »Um ehrlich zu sein, habe ich nicht damit gerechnet, dein wunderschönes Lächeln noch einmal zu sehen!«
Estella errötete. »Ich bin erleichtert, dass es dir so gut geht.«
Dan sah ihre Reaktion und hörte die Zuneigung, die in Murphys Worten lag, und sein neu erworbenes Selbstvertrauen schwand. Einerseits freute er sich für Murphy, zumal er selbst mit all seinen Problemen keine sonderlich gute Partie für Estella gewesen wäre; andererseits hätte er sich am liebsten umgedreht und wäre davongelaufen. Es kostete ihn alle Kraft, zu bleiben und so zu tun, als wäre alles, wie es sein sollte.
»Als ich Estellas Hilferuf hörte«, sagte Dan tonlos, »musste ich einfach handeln.«
»Du hast mir ohne Zweifel das Leben gerettet«, meinte Murphy.
»Und mir auch«, fügte Estella hinzu. »Du warst sehr mutig!«
Das Letzte, was Dan erwartete, war Dankbarkeit.
»Vielen Dank, alter Junge«, sagte Murphy leise. »Ich stehe tief in deiner Schuld.«
»Du hättest dasselbe für mich getan«, erwiderte Dan mit einer wegwerfenden Geste.
»Solltest du nicht noch ein wenig schlafen?«, fragte Estella, die Dans Niedergeschlagenheit für Müdigkeit hielt. »Du bist schließlich die ganze Nacht nicht zur Ruhe gekommen.«
»Ja, ich bin müde«, gab er zu. Er hatte versucht zu schlafen; stattdessen hatte er die ganze Zeit an Estella gedacht. Er hatte noch keine klaren Vorstellungen für seine Zukunft gehabt – doch in einem war er sicher gewesen: dass Estella in seinem zukünftigen Leben eine entscheidende Rolle spielte. Als er jetzt sah, dass es zwischen Estella und Murphy gefunkt hatte, kam er sich wie ein Narr vor und fühlte sich ratlos. Er wusste nicht,in welche Richtung er sich wenden und wie er ein normales Leben führen sollte. Er wusste nicht einmal, ob er es wollte.
»Du hast hoffentlich darüber gewacht, dass Murphy es Betty nicht zu schwer macht, nicht wahr?«, fragte Estella Dan jetzt lächelnd.
»Es war eher umgekehrt«, brummte Murphy.
Aber Dan war nicht in der Stimmung für Scherze. »Du solltest dich ausruhen, Estella«, ermahnte er sie ruhig. »Schließlich hast du Schlimmes durchgemacht.« Er warf Murphy einen Blick zu und fragte sich, ob dieser inzwischen von Estellas Schwangerschaft wusste.
»Dan hat Recht«, sagte Murphy ernst. »Du musst dich ausruhen.«
Sein besorgter Tonfall bestätigte Dans Befürchtungen: Murphy wusste von dem Kind, und Dan war klar, dass Estella es Murphy nicht erzählt hätte, wären die beiden einander nicht sehr nahe gekommen ...
»Ich muss vorher noch einiges erledigen, Dan«, erklärte Estella abwehrend.
»Aber ich bin der Arzt, und ich möchte, dass du dich heute erholst!«, sagte Dan schärfer, als er beabsichtigt hatte.
Estella blickte ihn erstaunt an.
»Tu, was Dan sagt, Estella«, meinte nun auch Murphy. »Es ist nur zu deinem Besten.« Seine Miene war ernst.
Als Betty sich mit verschränkten Armen im Türrahmen aufbaute, wusste Estella, dass sie sich fügen musste. Sie war tatsächlich sehr müde, glaubte aber nicht, dass sie jetzt Ruhe fand. »Schon gut, ich weiß, wann ich mich geschlagen geben muss. Ich lege mich ein paar Stunden hin.« Resignierend beschloss sie, Murphy ihr Geheimnis später an diesem Tag anzuvertrauen.
Flo betrat den Teesalon des Savoy Hotels. Sie hielt Ausschau nach ihrer Freundin Molly. Als sie diese nirgends entdeckenkonnte, blickte sie prüfend auf die Uhr. Es war kurz nach zwei, doch Mollys Verspätung überraschte Flo keineswegs. Sie selbst hingegen war immer ein pünktlicher Mensch gewesen. Leise vor sich hin murmelnd suchte sie sich einen Tisch mit zwei Plätzen, an dem sie von der Tür aus leicht gesehen werden konnte, der jedoch nicht im Zug stand. Ihr Rheuma plagte sie und machte sie reizbar.
Flo ließ sich nieder. Sie war gerade dabei, Hut und Mantel abzulegen, als James hereinkam. Er sah Flo sofort, doch sie bemerkte ihn nicht, sodass er zwei Möglichkeiten hatte: Er konnte schnellstens wieder gehen, oder er konnte mit Flo sprechen und sich dann an einen abseits gelegenen Tisch setzen. Er fühlte sich hin und her gerissen, denn er mochte Flo und hatte ihre Gesellschaft der von Caroline stets vorgezogen. Flo war nüchterner und weniger impulsiv, und sie war immer freundlich zu ihm gewesen, obwohl James spürte, dass sie seine Schwächen durchaus kannte.
Er hatte einen sehr unerfreulichen Morgen mit Davinia hinter sich. Sie hatten sich wegen seines
Weitere Kostenlose Bücher