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Ein Hologramm für den König

Ein Hologramm für den König

Titel: Ein Hologramm für den König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dave Eggers
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schwieriger, als ich gedacht hatte.
    Sie setzte sich auf den Stuhl ihm gegenüber.
    – War ein ganz schön harter Brocken. Fühlen Sie sich jetzt besser?
    – Wie meinen Sie?
    – Wo Sie wissen, dass es ein Lipom ist und sonst nichts.
    – Ich denke, ja. Sind Sie sicher, dass es nicht irgendwie am Rückenmark geklebt hat oder so?
    – Ja. Es hatte keinerlei Auswirkungen auf irgendwelche Nerven.
    Alan war erleichtert, doch dann vertiefte sich seine Verwirrung. Wenn kein Tumor an seinem Rückgrat hing und ihn in diese jüngsten Tiefen zerrte, welche Erklärung gab es dann?
    – Wie fühlen Sie sich? Haben Sie Schmerzen?
    Alan fühlte sich kraftlos, schwindelig, desorientiert. Der Schmerz war stechend.
    – Ich fühle mich gut, sagte er. Wie geht’s Ihnen?
    Sie lachte. – Mir geht’s gut, sagte sie und stand auf.
    Aber Alan wollte nicht, dass sie ging. Es war ihm irgendwie wichtig, sie noch ein paar Minuten länger in seiner Nähe zu halten.
    – Die anderen Ärzte schienen großen Respekt vor Ihnen zu haben.
    – Na ja, wir haben hier ein gutes Team. Größtenteils jedenfalls.
    – Machen Sie jetzt noch mehr Operationen?
    – Wie bitte?
    – Heute. Machen Sie noch mehr oder …?
    – Sie sind voller Fragen, Alan.
    Er hörte es gern, wenn sie seinen Namen sagte.
    – Ich hab nur noch ein paar Konsultationen. Keine OPs mehr.
    Er betrachtete ihre Fingernägel, stumpf und kurz.
    – Ist die Arbeit belastend?, fragte er lahm.
    Er rechnete damit, dass sie ging, genug von diesem einfallslosen Gerede hatte, doch sie entspannte sich und lehnte sich auf dem Stuhl zurück. Vielleicht gehörte das zur Arzt-Patient-Beziehung, war etwas, das sie meinte, tun zu müssen.
    – Ach, früher mal. Als ich in der Notaufnahme war. Jetzt nur noch manchmal.
    – Wann?
    Wieder schien ihr Gesicht für einen kurzen Moment zu sagen: Unterhalten wir uns wirklich noch immer ? – Wann? Ich würde sagen, wenn ich an die Grenzen meiner Möglichkeiten stoße.
    – Nicht bei einem Lipom.
    Sie lächelte. – Nein, nein. Eher bei einer Tracheotomie, einem Luftröhrenschnitt. Eine Tracheotomie würde ich nicht machen. Mir sind mal bei einer Fehler unterlaufen, als ich noch Assistenzärztin war. Ich werde leicht nervös. Wenn es zu schlimm wird, gerate ich ins Trudeln.
    – Ins Trudeln.
    – In kleine Spiralen des Selbstzweifels. Kennen Sie das?
    Wie viel sagen? Er könnte tagelang darüber reden.
    – Ja, kenn ich, sagte er, zufrieden mit seiner Zurückhaltung.
    – Brauchen Sie eigentlich was? Gegen die Schmerzen?
    – Nein, danke.
    – Haben Sie Aspirin? Tylenol?
    – Hab ich.
    – Nehmen Sie das auf jeden Fall zum Abschwellen.
    Sie stand auf, um zu gehen. Er hüpfte vom Bett.
    – Ich bin Ihnen sehr dankbar, sagte er und streckte ihr eine Hand hin.
    Sie schüttelte sie. – Ach, gern geschehen.
    Er sah ihr in die Augen, gönnte sich diesen Moment. Um die Augenwinkel war etwas Zartes, eine nach unten verlaufende Linie, die erzählte, dass sie schreckliche Dinge gesehen hatte und darauf gefasst war, noch mehr zu sehen.
    – Ich wollte noch sagen, ich finde, Sie sind sehr stark, sagte er. Ich weiß, es kann nicht leicht sein, das zu tun, was Sie tun, hier im Königreich.
    Ihre Haltung wurde entspannter. – Danke, Alan. Das bedeutet mir sehr viel.
    – Und? Sehe ich Sie wieder?, fragte er.
    – Wie bitte?
    – Keine Nachuntersuchung?
    – Ach so. Doch, sagte sie. Sie schien sich von einem anderen Gedankengang loszureißen. In etwa zehn Tagen sollten wir es uns noch mal ansehen. Uns vergewissern, dass sich die Wundfäden aufgelöst haben und so weiter. Falls sich in der Zwischenzeit irgendwas tut, können Sie mich anrufen.
    Sie reichte ihm eine Visitenkarte. Sie hatte ihre Telefonnummer daraufgeschrieben. Dann ging sie rückwärts und auf Zehenspitzen aus dem Zimmer, als würde er schlafen und sie hätte Angst, ihn zu wecken.

XXXI.
    AN DEN DREI TAGEN nach seiner Operation erwachte Alan so zeitig, dass er in Ruhe frühstücken und sich anziehen konnte, um gemeinsam mit Brad und Cayley und Rachel im Shuttle nach KAEC zu fahren. Alle zusammen warteten sie jeden Tag mit ihrer fertigen Präsentation, und die jungen Leute vertrieben sich die Zeit an ihren Laptops oder spielten Karten oder schliefen. Yousef rief ein paarmal aus den Bergen an, wo er in dem sicheren Gefühl blieb, dass seine Abwesenheit in Dschidda etwas Gutes bewirkte. Die Drohungen wurden seltener. Alan drängte ihn, dortzubleiben, bis die Spießgesellen annehmen würden, er wäre tot oder

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