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Ein Jahr im Frühling (Cappuccino-Romane) (German Edition)

Ein Jahr im Frühling (Cappuccino-Romane) (German Edition)

Titel: Ein Jahr im Frühling (Cappuccino-Romane) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Nohl
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Stuhl fiel.
Langsam ging sie in die Küche.
    „Hallo Emily. Ich hoffe, du hast nichts dagegen, dass ich
mich ein wenig nützlich mache.“
    Emily lächelte verkrampft. „Nein, mach du nur. Es sieht aus,
als ginge es dir besser. Aber sei so lieb und steig von diesem wackligen Stuhl
und lass uns einen Kaffee trinken.“
    „Ich habe euch Spaghetti mit Thunfisch gekocht. Viel war ja
nicht da und ich habe mich noch nicht aus dem Haus getraut, aber ich dachte, du
hast sicher Hunger. Wo hast du überhaupt gearbeitet?“
    Emily hatte es sicher ein- oder zweimal erwähnt, dass sie im
Seniorenheim tätig war, da schien ihre Mutter aber zu viel mit sich selbst
beschäftigt gewesen zu sein, um es sich zu merken. Emily reichte ihrer Mutter
die Hand. Die stieg vorsichtig hinab und ließ sich nun doch mit Anzeichen deutlicher
Erschöpfung auf einem der Stühle nieder. Emily schnupperte in den Kochtopf und
schaltet die Herdplatte ein. Dann bediente sie die Kaffeemaschine und ließ sich
ihrerseits ziemlich erledigt auf dem Stuhl ihrer Mutter gegenüber nieder.
    „Ich arbeite im Altenheim in der Pflege und als Mädchen für
alles.“
    Ihre Mutter schaute sie interessiert an. „Das ist keine
leichte Arbeit, denke ich, das wusste ich gar nicht.“
    „Ja, am Anfang war es nur ein Job zum Geldverdienen,
inzwischen macht es mir sogar Spaß und ich habe viele nette ältere Herrschaften
kennengelernt. Einer gibt mir sogar Nachhilfe in Soziologie“, erzählte sie
lächelnd.
    „Ich glaube, wir haben nicht viel von dir und deinem Leben
hier mitbekommen, meine Kleine“, sagte ihre Mutter traurig. „Wir waren so viel
mit uns selbst beschäftigt.“ Es fühlte sich seltsamerweise gut an, wenn ihre
Mutter sie „meine Kleine“ nannte.
    Emily schüttelte den Kopf. „Ich hatte auch alle Hände voll
zu tun, mich hier einzuleben. Da habe ich nicht wirklich verstanden, wie schlimm
es bei euch war, es tut mir leid, Mama.“
    „Schon gut. Das meiste haben wir uns wirklich selbst
eingebrockt. Wie viel Uhr ist es? Dein Vater hat versprochen, sich gleich in
den nächsten Zug zu setzen.“
    Emily schaute fragend und ihre Mutter lächelte stolz und
wirkte so entspannt wie selten in den letzten Jahren. „Wir haben zwei Stunden
lang telefoniert.“
    Emily dachte kurz mit Grausen an ihre Handyrechnung, wischte
den Gedanken aber schnell beiseite.
    „Wir haben so viel geredet wie die letzten Monate nicht
mehr. Ich glaube, es hat deinem Vater einen richtigen Schrecken eingejagt, als
ich plötzlich nicht mehr da war. Er kann sich ein Leben ohne mich nicht
vorstellen, ist das nicht süß?“ Sie klimperte wie frisch verliebt mit den
Augenlidern. „Und ich habe ihm erzählt, wie es mir damit ging, dass er mich so
bevormundet und von der Welt ausgeschlossen hat, und er hat mir gesagt, wie
mein Schweigen und mein depressives Verhalten auf ihn gewirkt haben.“
    Emily nickte verständnisvoll und war froh, dass die Dinge
anscheinend auf den Tisch kamen.
    „Und wir haben beschlossen, einen Neuanfang zu wagen.“ Sie
zwinkerte Emily zu. „Und wir dachten, welcher Ort wäre besser geeignet als
Heidelberg, die Stadt der Liebenden im goldenen Herbst?“
    Jetzt musste Emily schmunzeln. „Das freut mich für euch,
wirklich. Diese Stadt hat was Besonderes, wie ich dir versichern kann.“ Bevor
ihre Mutter neugierig nachfragen konnte, schob Emily schnell nach: „Wann kommt
Papa denn an?“
    „Keine Ahnung, er wollte sich melden, wenn er am Bahnhof
ist.“
    Emily graue Zellen ratterten. Beide Eltern hier in ihrem
Zimmer, das würde ihre räumlichen und emotionalen Kapazitäten definitiv
sprengen. Da erinnerte sie sich an ihren ersten Aufenthalt in Heidelberg,
damals im Herbst in der kleinen Altstadtpension.
    Kleingeblümte helle Vorhänge bauschten sich leicht im
Luftzug, der durch das Fenster hineinwehte. Sie lag unter einem dicken
Federbett vergraben, das sich angenehm frisch auf der Haut anfühlte. Auf einem
runden, dunkelbraunen Tischchen mit geschwungenen Beinen konnte sie ihren
achtlos hingeworfenen Schlüsselbund und Geldbeutel entdecken. Auf einem kleinen
mit cremefarbenem Cord bezogenen Sessel türmten sich ihre Kleider. Sie schaute
auf ihre Armbanduhr. Es war halb neun. Sie hatte so lange und so fest
geschlafen, dass sie sich ganz erholt vorkam. Wäre da nicht langsam die
Erinnerung der letzten Tage tröpfelnd in sie eingesickert, so dass ihr bewusst
wurde, was geschehen war.
    Nun fiel ihr auch wieder ein, dass sie sich in einer völlig
unbekannten

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